Jürgen Hardt, Gründungspräsident der LPK Hessen, stellte das Medium Internet aus kulturpsychologischer Sicht dar. Um das 'Internet' habe sich eine hermetische und mächtige Diskurswelt entwickelt, deren Logik nur durch Paralogie (Lyotard) zu durchbrechen sei. Neue Medien hätten immer, wie ein Blick in die Mediengeschichte zeige, ein hohes Spaltungspotenzial. Die Spaltung sei besonders am generational divide (Turkle) des Internetgebrauchs und seiner Bewertung deutlich. Weil das Medium Internet aber nicht nur Kulturtechnik, sondern zugleich auch Kulturobjekt (evocative object) sei, böte es zugleich Spaltung als naheliegende und primitive Lösung an. Die Spaltungen seien vielfältige: Verbreitung von Wissen als Information und Zerstörung von Bildung; Ausgestaltung und Auflösung des Subjekts; Intimität und Ende der Privatheit; Demokratisierung und zersplitternde Radikalisierung; Befreiung und totale Kontrolle; Vereinigung und Vereinzelung. Als Kulturtechnik setze das Internet zwar einerseits das Projekt der Moderne (Habermas) fort, kehre es zugleich aber in sein Gegenteil.
Vor dem Hintergrund von Forschungsarbeiten zur Bedeutung des Internets für die Anbahnung und Gestaltung von Paarbeziehungen stellte Prof. Dr. Christian Roesler, Professor für klinische Psychologie und Arbeit mit Familien an der Katholischen Hochschule Freiburg kritische Überlegungen zur virtuellen psychotherapeutischen Beziehung an. Die technischen Bedingungen der virtuellen Interaktion erzeugten neue Sozialformen, sie bildeten nicht einfach bestehende Sozialformen auf neuen medialen Ebenen ab, sondern wirkten wiederum in die sozialen Beziehungen hinein und veränderten diese, schüfen also neue Beziehungsformen und veränderten soziale Wirklichkeiten. Es wäre geradezu naiv und für die Psychotherapie potenziell auch gefährlich, anzunehmen, dass die bekannten Beziehungsformen sich einfach eins zu eins im virtuellen Feld abbilden würden. Der Referent plädierte für einen reflektierten Umgang mit neuen Interaktionsformen und internetbasierte Psychotherapie sowie für ein Bewusstwerden ihres gesellschaftlichen Veränderungspotenzials und möglicher Gefahren.
Dr. Dr. Veronika Brezinka, Zentrum für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Universität Zürich, erläuterte in ihrem Vortrag internetbasierte Interventionen in der psychotherapeutischen Behandlung von Kindern und Jugendlichen. Während internetbasierte Interventionen bei der Behandlung Erwachsener seit längerem üblich seien, fänden sie zunehmend auch Eingang in den Kinder- und Jugendbereich. In mehreren Ländern gäbe es Initiativen, evidenzbasiertes Behandlungswissen mit computerbasierten Behandlungsprogrammen oder Computerspielen therapeutisch umzusetzen. Allerdings gäbe es auch eine Vielzahl von zweifelhaften Angeboten, bei denen primär ökonomische Interessen zu vermuten seien. Therapeutische Computerspiele könnten, müssten aber nicht Teil eines Online-Behandlungspaketes sein. Dr. Brezinka skizzierte hierzu die an der Universität Zürich entwickelten Spiele Schatzsuche und Ricky und die Spinne, die für den Einsatz in einer individuellen Kindertherapie gedacht seien.
Thema des Fachvortrags von Prof. Dr. Christiane Eichenberg, Professorin für klinische Psychologie, Psychotherapie und Medien an der Sigmund Freud PrivatUniversität Wien, waren internetassoziierte Störungen und ihre Behandlung. Neben dem empirisch belegten Nutzen des Internets für Prävention, Behandlung und Rehabilitation verschiedener psychischer Störungen könne die Internetnutzung jedoch auch zu klinisch relevanten Problemen führen. Immer häufiger suchten Patient/innen mit entsprechenden Problemen und Störungen daher die psychotherapeutische Praxis auf. Eichenberg unterteilte internetassoziierte Störungen in vier Gruppen: Exzessive Nutzungsformen (z. B. Online-Gambling), dysfunktionale Nutzungsformen (z. B. Online Selbstdiagnosen), deviante Nutzungsformen (z. B. Cybermobbing) sowie selbstschädigende Nutzungsformen (z. B. Suizid-Foren).