Psychotherapeutenkammer Bayern

Bedarfsplanung: Demografiefaktor verschlechtert psychotherapeutische Versorgung von Kindern und Jugendlichen

23. März 2011 - Der Ende 2010 durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) in die Bedarfsplanung eingeführte Demografiefaktor hat in psychotherapeutisch besonders schlecht versorgten Regionen sein eigentliches Ziel verfehlt: Indem er Planungsbereiche für die Niederlassung von Psychotherapeut/inn/en sperrt, verhindert er dringend notwendige zusätzliche ambulante Versorgungsmöglichkeiten.

Ursprünglich sollte die Einbeziehung der Entwicklungen der Bevölkerungsstruktur die Veränderungen im Versorgungsbedarf besser berücksichtigen, vor allem, um die ambulanten ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgungsmöglichkeiten der wachsenden Anzahl älterer Menschen zu verbessern. Damit orientiert sich die Zahl der Sitze in einem Planungsbereich zukünftig nicht mehr nur an der Einwohnerzahl, sondern auch an der Altersstruktur. Von dieser Regelung sind jedoch die Kinderärzte ausgenommen, um die Versorgung von Kindern und Jugendlichen nicht zu beeinträchtigen.

Der Demografiefaktor führt jedoch dazu, dass ohnehin schlecht versorgte Planungsbereiche flächendeckend einen höheren rechnerischen Versorgungsgrad aufweisen als bisher. So wurde der Kreis Annaberg (Sachsen), der mit nur sieben Psychotherapeut/inn/en pro 100.000 Einwohnern zu den zehn am schlechtesten versorgten Regionen Deutschlands gehört, für weitere niederlassungswillige Psychotherapeut/inn/en gesperrt. Mit Anwendung des Demografiefaktors ergibt sich dort jetzt ein Versorgungsgrad von 120,4 Prozent, ohne Berücksichtigung der Altersstruktur läge der Versorgungsgrad bei 109,0 Prozent. Ab einem Versorgungsgrad von 110,0 Prozent gilt ein Planungsbereich als gesperrt. In der Folge verringern sich im Kreis Annaberg Psychotherapieplätze, die aufgrund der 20%-Mindestquote der Behandlung von Kindern und Jugendlichen vorbehalten sein müssten.

Die 20%-Mindestquote entspricht dem Anteil der Kinder und Jugendlichen an der Bevölkerung. Alle Psychotherapeutenkammern hatten sich für diese Quote hinsichtlich der psychotherapeutischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen eingesetzt. Der Deutsche Bundestag hatte in der Folge 2008 beschlossen, dass mindestens 20% der in einem Planungsbezirk zugelassenen Psychotherapeut/inn/en ausschließlich Kinder und Jugendliche behandeln sollen. Diesen Beschluss hatte der Gemeinsame Bundesausschuss jedoch Mitte Juni 2009 ausgebremst, indem er entschied, dass in jedem Planungsbereich einer Kassenärztlichen Vereinigung (KV) erst mindestens 10% der dort zugelassenen Psychotherapeut/inn/en ausschließlich Kinder und Jugendliche behandeln müssen, bevor diese KV weitere Praxissitze in anderen Planungsbezirken ausschreiben darf. 

Mit dem Demografiefaktor verschlechtert der G-BA jetzt bereits ein zweites Mal die psychotherapeutische Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Die PTK Bayern fordert daher, im Zuge der Neuregelung der Bedarfsplanung im geplanten GKV-Versorgungsgesetz den Demografiefaktor abzuschaffen, auch im Hinblick auf die psychotherapeutische Versorgung älterer Menschen. Denn der jetzige Demografiefaktor geht davon aus, dass die derzeitigen Behandlungsraten älterer Menschen in Zukunft unverändert bleiben. Damit wird wieder einmal nur der Status quo abgebildet, der Blick auf zukünftige Entwicklungen bleibt verwehrt. Die PTK Bayern schlägt daher eine prospektiv ausgerichtete Versorgungsplanung vor. Mit dieser würde der Demografiefaktor überflüssig.

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