Psychotherapeutenkammer Bayern

Bericht zur 23. Delegiertenversammlung am 24.10.2013: Patientenversorgung nach neuer Bedarfsplanung und Zukunft der Aus- und Weiterbildung weiterhin im Brennpunkt, intensive Diskussionen zur „Internetpsychotherapie“ und niedrigschwelligen Beratung für Patient/innen

Nach einführenden Überlegungen zu der weit verbreiteten Tendenz in der Gesellschaft, bestehende Missstände wie die Flüchtlingsproblematik oder ungelöste Zukunftsfragen zu beschönigen oder zu verleugnen, nahm Kammerpräsident Nikolaus Melcop im Vorstandsbericht zunächst Bezug auf die Vergabe neuer Praxissitze im Zuge der Umsetzung des neuen Bedarfsplans. Vorbehaltlich abschließender Ergebnisse sei ein Trend zu einer hohen Bewerberzahl in Gebieten mit relativer Stadtnähe erkennbar. Demgegenüber werde es in Gebieten mit größerer Stadtferne und in Grenzgebieten wahrscheinlich noch freibleibende unbesetzte Sitze geben. Voraussichtlich im Januar 2014 werden die freigebliebenen Sitze erneut ausgeschrieben.

Kammerpräsident Dr. Nikolaus Melcop präsentierte den Vorstandsbericht. (Foto: Johannes Schuster)

Hinsichtlich der Versuche diverser Krankenkassen, die psychotherapeutische Versorgung extern zu steuern, habe die Kammer mit verschiedenen Kassen zwischenzeitlich Gespräche geführt.

Die 23. Delegiertenversammlung wurde von Klemens Funk und Elisabeth Gerz-Fischer geleitet. (Foto: Johannes Schuster)

In Bezug auf eine Verbesserung der angestellten Kolleg/innen in den Kliniken gebe es kleine Schritte nach vorne. Die PTK Bayern ist in der Unterarbeitsgruppe (UAG) „sektorübergreifende Versorgung“ des Krankenhausplanungsausschusses als Expertin vorgesehen. Das bayerische Gesundheitsministerium hat darüber hinaus erneut deutlich gemacht, dass aus seiner Sicht einer Übernahme von Leitungsfunktionen durch Psychotherapeut/innen in Kliniken keine bayerische Gesetzesregelung entgegensteht. Der zweite Entgeltkatalog für das neue pauschalierende Entgeltsystem in Psychiatrie und Psychosomatik (PEPP 2014) sieht des Weiteren eine größere Differenzierung der Entgelte nach Leistung und damit eine etwas leistungsgerechtere Vergütung vor. Die Kammer hat sich zusammen mit anderen Interessensgruppen erneut für die Einführung eines Gesetzes für psychisch Kranke (PsychKG) eingesetzt.

Zur besseren Versorgung psychisch kranker Soldat/innen konnte die PTK Bayern über Öffentlichkeitsarbeit mit dazu beitragen, dass Mitte September zwischen der Bundespsychotherapeutenkammer und dem Bundesverteidigungsministerium ein Vertrag abgeschlossen wurde, der auch für privat praktizierende Psychotherapeut/innen die Behandlung regele. Insgesamt haben 225 Kammermitglieder ihre Bereitschaft erklärt, psychisch kranken Soldat/innen eine psychotherapeutische Behandlung anzubieten.

Melcop berichtete, dass sich die Mitglieder des Länderrates im September 2013 darüber verständigt haben, dass derzeit kein Bedarf gesehen wird, von Seiten der Bundespsychotherapeutenkammer eine strukturierte Muster-Fortbildung zum Thema Psychotraumatologie zu entwickeln, da die Voraussetzungen für dieses Behandlungsfeld schon mit der Approbation vorhanden sind. Als Hintergrund für diese Diskussion erläuterte er die Anforderungen für unseren Berufsstand zur Teilnahme am „Psychotherapeutenverfahren“ der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Hierbei werden von teilnehmenden Psychotherapeut/innen u. a. der Nachweis von 120 Stunden spezifische Fortbildung zur leitliniengerechten Diagnostik und Behandlung typischer Störungen nach Arbeitsunfällen und bei Berufskrankheiten und sechs supervidierten Behandlungsfällen mit traumatischen Störungen verlangt.

Melcop berichtete über die Novelle des Heilberufekammergesetzes und die von der Kammer geforderten Neuerungen.

Weiterhin erläuterte er die nach Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes geplanten Änderungen der Musterberufsordnung und die wichtigsten Diskussionen dazu. Melcop stellte die derzeitigen Beratungsmöglichkeiten für Patient/innen durch die Mitarbeiter/innen der Geschäftsstelle und häufige Themen von Anfragen vor. Ein besonderer Gesprächsleitfaden sichere dabei ein strukturiertes Vorgehen bei Anfragen von Patient/innen zu möglichem Fehlverhalten von Mitgliedern.

Melcop informierte darüber hinaus über die neu angemieteten Büroräume der Geschäftsstelle. Der Umzug von der St.-Paul-Str. in das Gebäude am Birketweg 30 ist ab Mitte Februar 2014 geplant.

Am Ende berichtete Melcop über die Arbeit der Länderrats-AG „Zukunft der Ausbildung“ und über Veranstaltungen unterschiedlicher Verbände zur intensiven Prüfung der Option „Direktausbildung“. Er betonte dabei die Wichtigkeit des offenen Dialogs der unterschiedlichen beteiligten Gruppen und die Fortschritte, die durch entsprechende Foren auch schon erreicht werden konnten zur weiteren Klärung von Risiken und Chancen der unterschiedlichen Vorstellungen.

Abschließend setzte er die Delegierten über die Kontakte und Gespräche mit relevanten Parteipolitiker/innen in Kenntnis – vor und nach den Wahlen in Bayern und im Bund, wobei er auch die Notwendigkeit zur Übernahme von Verantwortung durch die Berufsgruppe selbst betonte.

Der Vorstand und die Delegierten dankten Geschäftsführer Alexander Hillers, der die Geschäftsstelle der PTK Bayern seit nunmehr zehn Jahren leitet.

 

Psychotherapie unter Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel 
Vizepräsident Peter Lehndorfer informierte, dass der Vorstand der BPtK eine Kommission „Psychotherapie unter Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel“ eingerichtet habe. Die BPtK habe Ende September den Landeskammern einen Vorschlag des Vorstands zur Neufassung des § 5 Absatz 5 Musterberufsordnung (MBO) auf der Basis des Vorschlags der BPtK-Kommission unterbreitet. Die Vorschläge betreffen die Definition der Begriffe „Sorgfaltspflicht“ und „Fernbehandlung“. 

Vizepräsident Dr. Bruno Waldvogel gab einen Überblick über die Diskussion und die Argumente für und gegen die Nutzung elektronischer Kommunikationsmedien im Rahmen der Ausübung des psychotherapeutischen Berufs. An einem Fallbeispiel problematisierte er die Angemessenheit der gegenwärtigen Regelung in der Berufsordnung. Ausgehend von der Legaldefinition der Psychotherapie im Psychotherapeutengesetz (PsychThG) stellte Waldvogel die Studienlage zu internetbasierten psychotherapeutischen Interventionsprogrammen vor. Für die Akzeptanz von Internet-Psychotherapien spreche vor allem ihre Niedrigschwelligkeit, die auch solchen Betroffenen die Wahrnehmung eines psychotherapeutischen Angebotes ermögliche, die sonst aus geografischen, finanziellen, persönlichen oder anderen Gründen keine Therapie in Anspruch nehmen würden. Kritisch werde gegen Internet-Therapie eingewendet, dass die Diagnostik, die Indikationsstellung und die Aufklärung nur unzureichend erfolgen könnten, gegebenenfalls erforderliche Kriseninterventionen nur sehr begrenzt möglich seien und die Auswirkungen der Kanalreduktion (rein schriftliche Kommunikation) auf die therapeutische Beziehung noch nicht untersucht wurden.

Vizepräsident Dr. Bruno Waldvogel wörtlich: „Welche Nutzung elektronischer Kommunikationsmedien erscheint uns bei der Ausübung unseres Berufes unter welchen Bedingungen vertretbar?“ (Foto: Johannes Schuster)

In der lebhaften und kontroversen Diskussion wurde deutlich, dass es Behandlungsbereiche gibt (z. B. Psychoonkologie), in der „webbasierte Psychotherapie“ durchaus eine besondere Berechtigung haben. Vor dem häufig unsicheren oder gänzlich fehlenden Datenschutz im Internet wurde gewarnt. Die bei Nutzung elektronischer Kommunikationsmedien zu beachtenden Sorgfaltspflichten wurden diskutiert.

 

Haushaltsplan 2014 einstimmig verabschiedet
Vizepräsident Peter Lehndorfer erläuterte den Haushaltsplan 2014. Der Haushaltsplan weise im kommenden Haushaltsjahr ein leichtes Defizit der Einnahmen zu den Ausgaben aus. Diese Summe sei über die Verwendung der gebildeten Rückstellungen und Rücklagen zu refinanzieren. Lehndorfer stellte die Einzelposten und die Entwicklung der Rücklagen und Rückstellungen detailliert vor. Ferner gab er einen Ausblick auf die Haushaltskalkulation sowie die Entwicklung der Rücklagen und Rückstellungen für die Folgejahre. Nach der Stellungnahme von Rudolf Bittner als Vorsitzender des Finanzausschusses und Diskussion nahmen die Delegierten den Haushaltsplan 2014 einstimmig an. Ebenfalls einstimmig verabschiedeten die Delegierten den Vorschlag von Lehndorfer, den Begriff „Rücklage Immobilie/Umzug“ in „Liquiditätsreserve“ umzuformulieren.

Vizepräsident Peter Lehndorfer stellte den Haushaltsplan 2014 vor. (Foto: Johannes Schuster)
Die Delegierten nahmen den Haushaltsplan 2014 einstimmig an. (Foto: Johannes Schuster)

Niedrigschwellige Beratung für Psychotherapiepatient/innen
Vizepräsident Waldvogel erinnerte an den Auftrag der Delegierten an den Vorstand im April 2009, die Einrichtung einer niedrigschwelligen Beratung von Patient/innen, die in Psychotherapien problematische, grenzüberschreitende bzw. ethisch fragwürdige Erfahrungen beklagen, zu prüfen, Konzepte zu sichten und Vorschläge vorzulegen. Die Prüfung habe ergeben, dass die Platzierung einer Beratung außerhalb der Kammer zu präferieren sei. Deshalb sei in Kooperation mit den Psychotherapeutenkammern Baden-Württemberg und Berlin mit der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) in einem Pilotprojekt eine „Anlaufstelle für Beschwerden zur Psychotherapie“ (01.08. bis 31.12.2010) erprobt worden. Waldvogel informierte über dessen Ergebnisse. Im Abschlussbericht sei ein ungedeckter Bedarf an niedrigschwelliger Beratungsmöglichkeit bei Beschwerden zu Psychotherapien festgehalten geworden. Die Delegierten haben im April 2011 den Vorstand beauftragt, sich mit der „neuen“ UPD um eine Fortsetzung des Pilotprojektes zu bemühen. Diese Bemühungen führten bedauerlicherweise zu keinem positiven Ergebnis. Derzeit sei keine externe Lösung absehbar. Als Interimslösung sei ein Beratungsangebot bei der Kammer, das durch diese finanziert werden wird, entworfen worden.

Vorstandsmitglied Birgit Gorgas stellte dieses Konzept vor. Die Patientenberatung könne auf der Kammerwebsite, durch Flyer und bei Beratungsstellen beworben werden. Die Beratung werde telefonisch zu verschiedenen Zeiten und online angeboten. Die Anfragen würden anonymisiert dokumentiert, ein Bericht an den Vorstand der Kammer erfolge vierteljährlich. Der Vorstand bestimme zwei Patientenberater/innen, die nicht dem Vorstand, dem Ausschuss für Einsprüche oder der Geschäftsstelle angehören und informiere die Delegierten über Berufung oder Beendigung. Die Berufung erfolge über einen Zeitraum von 12 Monaten. Das Konzept erfordere eine Satzungsänderung, in der die Einrichtung eines solchen Beratungsangebotes bei der Kammer unabhängig und abgetrennt von der Berufsaufsichtsfunktion der Kammer geregelt werde. Prinzipiell werde weiterhin angestrebt, ein Beratungsangebot außerhalb der Kammer einzurichten.

Vorstandsmitglied Birgit Gorgas stellte ein Konzept zur niedrigschwelligen Beratung für Psychotherapiepatient/innen vor. (Foto: Johannes Schuster)

Nach intensiver Diskussion, in der das Konzept mit unterschiedlichen Ansätzen bewertet wurde, beschlossen die Delegierten einstimmig, den Vorstand zu beauftragen, bis zur nächsten Delegiertenversammlung eine Satzungsänderung vorzubereiten, die es ermöglicht, die vorliegende Konzeption eines niederschwelligen Beratungsangebotes für Psychotherapiepatient/innen umzusetzen.

 

Weitere Schwerpunkte der Delegiertenversammlung
Des Weiteren wurde aus den Ausschüssen der Kammer für Berufsordnung (Dr. Jürgen Thorwart), Fortbildung (Thomas Stadler), psychotherapeutische Versorgung von Kindern und Jugendlichen (Martina Kindsmüller), Weiterbildungsordnung (Dr. Herbert Ühlein) sowie aus der Kommission für Psychotherapie in Institutionen (Dr. Maria Gavranidou) berichtet. Darüber hinaus informierten die satzungsgemäßen Vertreter der Hochschulen (Prof. Angelika Weber), der Ausbildungsinstitute (Anna Peter) sowie der Psychotherapeut/innen in Ausbildung (Lisa Brendel) über ihre Tätigkeit.

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