Psychotherapeutenkammer Bayern

Ambulante Bedarfsplanung Psychotherapie problematisch - LGL legt Gesundheitsmonitor Bayern vor

17. Januar 2012 - Der regelmäßig publizierte Gesundheitsreport Bayern des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) stellt Eckdaten zur gesundheitlichen Situation der Menschen in Bayern vor. Die letzte Ausgabe (1/2011) thematisiert die psychische Gesundheit der bayerischen Bevölkerung.

Der Gesundheitsbericht berücksichtigt aktuelle epidemiologische Studien zur psychischen Gesundheit und liefert einen kompakten Überblick über die Datenlage. Die Zahlen dokumentieren den Umfang psychischer Störungen, der sich in Bayern nicht fundamental von der Situation in anderen Bundesländern unterscheidet. So gilt auch für Bayern eine Lebenszeitprävalenz von 50 Prozent für psychische Störungen. Auch bei Kindern und Jugendlichen sind hohe Raten an psychischen Beeinträchtigungen zu finden, wobei die Größenordnung der Probleme in Bayern und Deutschland sehr ähnlich ist.

Die Relevanz psychischer Störungen zeigt sich auch in der ambulanten Versorgung. Insgesamt wies im Jahr 2008 zwischen einem Viertel und einem Drittel der gesetzlich Versicherten eine F-Diagnose auf (Frauen 36 Prozent, Männer 25 Prozent). Hochgerechnet auf die bayerische Gesamtbevölkerung sind demnach ca. 4 Mio. Menschen in Bayern betroffen. Mit zunehmendem Lebensalter spielen dabei die Depressionen eine immer größere Rolle.

Ausdrücklich wird im Bericht darauf verwiesen, dass in der epidemiologischen Forschung die Frage, ob die psychischen Störungen in der Bevölkerung zunehmen oder ob man es lediglich mit einer Zunahme der dokumentierten Behandlungsfälle zu tun hat (z. B. als Folge eines offeneren Umgangs mit solchen Erkrankungen und des besseren Versorgungsangebots), nicht geklärt ist. Aktuelle europaweite Studien kommen zur Aussage, eine generelle Zunahme sei nicht zu finden. Allgemein anerkannt sei allerdings, so der Gesundheitsreport, dass die psychischen Belastungen in der Arbeitswelt zugenommen haben und häufig zu psychischen Erkrankungen beitragen.

Einige inhaltliche Schwerpunkte des Berichts seien kurz zusammengestellt:

So nimmt der aktuelle Gesundheitsreport Bezug auf die Arzneimittel-Verordnungen im Zusammenhang mit psychischen Störungen. Es wird darauf hingewiesen, dass im Jahr 2010 Psychopharmaka an zweiter Stelle der umsatzstärksten Indikationsgruppen lagen. Ihr Bruttoumsatz betrug in diesem Jahr ca. 335 Mio. Euro bei einem Gesamtumsatz von ca. 4 Mrd. Euro für den gesamten Arzneimittelmarkt. Die Psychopharmaka Verordnungen nehmen seit Jahren stetig zu und die durchschnittlichen Pro-Kopf-Verordnungen liegen in Bayern über dem Bundesdurchschnitt.

  • Für das Jahr 2009 werden für Bayern 7,5 Mio. Arbeitsunfähigkeitstage und 8776 Frühberentungen wegen psychischer Störungen berichtet. Das entspricht 10 Prozent der Krankschreibungen und einem Drittel der Frühberentungen. Psychische Störungen sind auch in Bayern inzwischen die Hauptursache krankheitsbedingter Frühberentungen.
  • Die Suizidrate Bayerns liegt seit Anfang der 1990er Jahre über dem Bundesdurchschnitt, im Jahr 2009 wies Bayern die höchste Suizidrate unter den Ländern auf.
  • Berechnungen zu den ökonomischen Folgen psychischer Störungen finden für Bayern 2009 Gesundheitsausgaben für psychische Störungen insgesamt in einer Höhe von ca. 4,3 Mrd. Euro und für Depressionen allein ca. 850 Mio. Euro.
  • Der Gesundheitsreport befasst sich auch näher mit den Defiziten der Bedarfsplanung für die ambulante Versorgung. Erläutert wird, dass die sogenannten Bedarfsplanungsrichtlinien „Versorgungsgrade“ für jede Region definieren, denen allerdings keine epidemiologische Bedarfsfeststellung zu Grunde liegt. Die entsprechenden Anhaltszahlen stammen aus den 90er Jahren und können erklären, dass die sog. Bedarfsplanung für den Psychotherapiebereich in allen bayerischen Regionen von einem angeblich hohen Versorgungsgrad spricht, während seriöse aktuelle Erhebungen (die auch zitiert werden) gleichzeitig erhebliche Versorgungsdefizite im Bereich Psychotherapie aufweisen, nicht nur, wie beinahe zu erwarten, in den dünn besiedelten Landkreisen, sondern sogar in den bayerischen Großstädten. Probleme in der Versorgungsqualität drücken sich auch darin aus, dass psychische Störungen nach wie vor zu spät erkannt bzw. nicht adäquat behandelt werden, so der Bericht.

Ein Blick in diesen Bericht sei allen Kolleginnen und Kollegen nahegelegt. Kurz und kompetent werden viele wichtige Kennzahlen (weit über die genannten Beispiele hinaus) zur psychischen Gesundheit in Bayern zusammengetragen. Die Zahlen können in allen Diskussionen, in denen es um die Relevanz psychotherapeutischer Interventionen geht, unterstützend herangezogen werden.

Den vollständigen Bericht finden Sie als pdf-Datei in der unteren Download-Liste.

Auf der Seite zur Gesundheitsberichterstattung des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit gibt es noch weitere für unsere Berufsgruppe relevante Berichte (z. B. zu den Schwerpunktthemen Tabak- und Alkoholkonsum, Demenz, Suizid). Bitte klicken Sie hier.



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