Psychotherapeutenkammer Bayern

Kurzer Überblick über die wesentlichen Kernaussagen des Forschungsgutachtens zur Ausbildung von Psychologischen Psychotherapeut/inn/en und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut/inn/en

11. Mai 2009 - Im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit – April 2009 

Von: Bernhard Strauß, Sven Barnow, Elmar Brähler, Jörg Fegert, Steffen Fliegel, Harald J. Freyberger, Lutz Goldbeck, Marianne Leuzinger Bohleber, Ulrike Willutzki

Ø Das gesamte Forschungsgutachten finden Sie hier (ca. 17 MB).

  • Die Ausbildung zur/m PP und KJP geschieht derzeit an mindestens 173 staatlichen/staatlich anerkannten Ausbildungsstätten.
  • Die Ausbildung in einem psychodynamischen Vertiefungsverfahren findet an 52% der Ausbildungsstätten statt; Verhaltenstherapie an 42%, Gesprächspsychotherapie nur an 2 Ausbildungsinstituten.
  • Die Ausbildung in der Verhaltenstherapie hat aktuell ein starkes Übergewicht.
  • Die PP-Ausbildung findet an etwas mehr als doppelt so vielen Ausbildungsstätten statt wie die KJP-Ausbildung.
  • 18% der Ausbildungsstätten sind universitäre Institute.
  • Die verfahrensbasierte Ausbildung wird weitgehend als sinnvoll erachtet. Das entspricht den Trends im europäischen Ausland.
  • Aspekte anderer Verfahren als des Schwerpunktverfahrens und störungsspezifisches Wissen sollen in die Ausbildung integriert werden.
  • Bezüglich der Ausbildungsdauer sind sowohl das Vollzeit- als auch Teilzeitmodell gut angenommen worden.
  • Die durchschnittliche Ausbildungszeit lag bei 4 Jahren und 7 Monaten.
  • Die Zufriedenheit mit einzelnen Ausbildungsbestandteilen ist sehr unterschiedlich. Positiv bewertet werden die Praktische Ausbildung, die Supervision, Theoretischer Unterricht und die Selbsterfahrung, negativer bewertet werden eher die Praktische Tätigkeit (PT) und die sog. „Freie Spitze“ (freie Verfügungsstunden).
  • Für die Entscheidung zur Vollzeit- und Teilzeitausbildung spielen finanzielle Gründe eine große Rolle.
  • Für die Entscheidung zur Wahl des Verfahrens spielen sowohl finanzielle Gründe als auch die Orientierung des Studiums eine Rolle.
  • Übereinstimmend wird von den Verantwortlichen und Experten angeregt, vor allem während der Praktischen Tätigkeit eine einheitliche Vergütung der Ausbildungsteilnehmer einzuführen.
  • Die Praktische Ausbildung unter Supervision wird als der wichtigste Bestandteil der Ausbildung bewertet und als recht gut eingeschätzt. Die Selbsterfahrung wurde ebenfalls recht positiv bewertet.
  • Die staatlichen Prüfungen haben sich nach Meinung aller an der Ausbildung beteiligten Gruppen überwiegend bewährt.
  • Von vielen Teilnehmern und Institutsleitungen konnten keine hinreichenden Angaben zur Abschätzung der Kosten gemacht werden. Insgesamt werden die Gesamtkosten für die Ausbildung im Mittel zwischen 20.000 und 30.000 Euro angegeben. Bezogen auf die Vollzeitausbildung entspricht dies monatlichen Kosten von im Mittel 560 bis 830 Euro; bezogen auf die Teilzeitausbildung von im Mittel monatlich 330 bis 500 Euro.
  • Nach der Reform der Studiengänge herrscht sowohl in den bisherigen Diplomstudiengängen als auch in der Gestaltung der neuen Bachelor-/Masterstudiengänge eine große Vielfalt. Hinsichtlich der Zugangsvoraussetzungen zur Ausbildung kommen die Gutachter zu dem Schluss, dass diese sowohl bezüglich des Studienabschlusses (Master als Voraussetzung) als auch bezüglich nachgewiesener Inhalte vereinheitlicht werden sollten. Diese Zulassungsvoraussetzungen sollen für Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen und mit Erwachsenen gleich sein.
  • Vorschlag: Nachweis von mindestens 150 ECTS-Punkten, die sich auf allgemein-psychologische und klinisch-psychologische Inhalte beziehen. Das sollte für Masterstudiengänge in Psychologie, Soziale Arbeit und (Heil-)Pädagogik gelten.
  • Die Gutachter kommen zum Schluss, dass wie bisher an einer „Ausbildung nach der Ausbildung“ festgehalten werden sollte.
  • Die Praktische Ausbildung und die Vermittlung vertiefender theoretischer Inhalte sollten weiterhin im Rahmen einer postgradualen Ausbildung vermittelt werden.
  • Im Hinblick auf die Differenzierung von Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie und der Behandlung von Erwachsenen wird ein Modell vorgeschlagen, in dem Inhalte, welche für beide Ausbildungsgänge relevant sind und als Basiswissen angesehen werden, in einem „Common Trunk“ unterrichtet werden können. Diesem „Common Trunk“ sollten dann spezifische Ausbildungen folgen. Durch eine entsprechende Verlängerung der Ausbildungszeit könnte in einem solchen Modell von allen Ausbildungsteilnehmern die Doppelapprobation erworben werden. Mit dieser Lösung würden künftig Psychotherapeuten/Psychotherapeutinnen mit „Schwerpunkt Erwachsene“ oder mit „Schwerpunkt Kinder- und Jugendliche“ gleichberechtigt ausgebildet.
  • Bei der Frage nach der Ausrichtung der Ausbildung (Störungsspezifität vs. Verfahrensorientierung) schlägt das Gutachten ein Ausbildungsmodell vor, welches theoriebasiert und störungsübergreifend an einem Schwerpunktverfahren bzw. Vertiefungsverfahren ausgerichtet ist.
  • Die Ausbildung sollte evidenzbasiert sein und zur Integration von Forschungsergebnissen in die klinisch-praktische Tätigkeit befähigen.
  • Das Gutachten empfiehlt in Anlehnung an aktuelle wissenschaftliche Diskurse in der Psychotherapie die Definition heilkundlicher Psychotherapie auch auf Psychotherapiemethoden (i. S. der Definition des wissenschaftlichen Beirats Psychotherapie) auszuweiten.
  • Bezüglich der Ausbildungskosten wird auf die hohen Belastungen der Ausbildungsteilnehmer/innen hingewiesen. Eine Verbesserung ihrer finanziellen Situation könnte im Rahmen des bisherigen Ausbildungsmodells durch eine verbesserte staatliche Ausbildungsförderung erzielt werden. Dafür sind verschiedene Finanzierungsmodelle denkbar, die im Gutachten beschrieben werden (BAföG-Modelle, Darlehensmodell und Institutionsförderung).
  • Die Gutachtergruppe schlägt vor, die Kompetenzen von Psychotherapeut/inn/en nicht im Hinblick auf die Medikamentenverschreibung und ebenso nicht auf die Initiierung einer Zwangseinweisung (Einweisung nach PsychKG) zu erweitern.
  • Die Gutachter befürworten hingegen eine Kompetenzerweiterung bezüglich der Ausstellung von Arbeitsunfähigkeitsbeschreibungen, die Befugnis, zu (Fach-)Ärzt/inn/en zu überweisen sowie „reguläre“ Verordnungen von stationärer Heilbehandlung (in psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken) zu veranlassen.
  • Abschließende Vorschläge für die inhaltliche und organisatorische Ausgestaltung der künftigen Ausbildung: Verkürzung der Gesamtstundenzahl von derzeit 4200 auf 3400 Stunden; zu erreichen durch eine Reduktion der Stundenzahl der Praktischen Tätigkeit auf insgesamt 1200 Stunden und Verringerung der freien Spitze. Die Anteile der Supervision und der Selbsterfahrung sollten dagegen etwas ausgeweitet werden. Supervision und Selbsterfahrung sollten sowohl im Gruppen- als auch im Einzelsetting angeboten werden.
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