In der Praxis, im Umgang mit psychisch kranken Menschen, in der Langzeittherapie, oder in der Krisenintervention, fällt es aber schwer, auf Begriffe wie das „Selbst“ oder das „Ich“ zu verzichten, die ohne spezifische philosophische Grundannahmen nicht denkbar sind. Derartige Kategorien sind nicht nur in der Psychoanalyse oder in der humanistischen Psychotherapie von großer Bedeutung, sondern gehören auch in das Repertoire der Philosophie des Geistes und auch der Anthropologie. Und auch wenn über alle Therapieansätze hinweg ein aktuelles Interesse besteht, die „neurobiologischen Grundlagen“ von psychischen Störungen und von Therapieeffekten zu identifizieren, erfordert dies eine Besinnung auf Grundannahmen z. B. zum Leib-Seele-Verhältnis.
In der Praxis, bei der Behandlung verschiedener Störungsbilder, hat sich eine gewisse Polypragmasie verbreitet, die einen Mix von Konzepten und therapeutischen Methoden aus verschiedenen Ansätzen darstellt. Auch liegen mehrere Ansätze zu einer „integrativen Psychotherapie“ vor. Dabei ist bemerkenswert, dass sich in der Praxis der „sokratische Dialog“ und die „Achtsamkeit“ als Handlungsansätze mit philosophischen Wurzeln ganz gut etabliert haben. Es stellen sich also Grundsatzfragen zu Konzepten des menschlichen Erlebens, des Verhältnisses von objektiven und subjektiven Erkenntnismöglichkeiten, den Optionen verschiedener Interventionstechniken, des biologischen Menschenbildes und der Ethik, also Fragen, die kurz als „Philosophie der Psychotherapie“ bezeichnet werden können.
Die Veranstaltung soll einen Auftakt bilden, unter verschiedenen philosophischen Perspektiven die Metaebene der Praxis der Psychotherapie und ihrer Theorien zu untersuchen, Defizite aufzuzeigen und Optionen für Brückenkonzepte zu diskutieren. Die phänomenologische Sicht steht dabei zunächst im Vordergrund.
Die Veranstalter repräsentierten die drei großen Fachgruppen der Psychotherapie in Deutschland. Sie wollen einen Austausch über die gemeinsamen philosophischen Grundlagen etablieren und planen bei positiver Resonanz eine jährliche Fortsetzung zu jeweils bestimmten Schwerpunkten wie z. B. Wissenschaftstheorie, Philosophie des Geistes, Neurophilosophie, Anthropologie.