Psychotherapeutenkammer Bayern

Aktuelle Tarifkonflikte im öffentlichen Dienst und die Psychotherapeuten/innen Wann kommt eine Besserstellung für PP/KJP?

22. Juni 2006 - Die Süddeutsche Zeitung berichtet in einem Artikel, dass Montgomery lediglich bezüglich zweier Punkte bei den Tarifgesprächen des Marburger Bundes mit der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) noch Verhandlungsbedarf sähe, u.a. beim Geltungsumfang des Vertrags, der z.B. Psychologische Psychotherapeuten nicht einschließen würde. Das ließ manche Kollegen/innen, die diese Meldung gefunden hatten, aufhorchen: Wollte die Ärztegewerkschaft wirklich für uns mitverhandeln? Zumal vermutlich kaum ein PP (erst recht kein KJP) Mitglied im Marburger Bund (MB) sein dürfte, und Montgomery sich wenige Wochen vorher öffentlich beschwert hatte, dass Ver.di im neuen TVöD auch Vereinbarungen für Ärzte geschlossen hatte?

Zur Vorgeschichte

Bereits seit Verabschiedung des Psychotherapeutengesetzes ist es einhellige Forderung der Psychotherapeutenverbände und der Kammern, dass die Angehörigen der neuen Berufe auch eine bessere tarifliche Eingruppierung - vergleichbar den Fachärzten - erhalten. Die Gruppe der Psychologischen Psychotherapeuten/innen (PP) und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten/innen (KJP) war aber zu klein und bei den Gewerkschaften ÖTV und DAG zu schlecht vertreten, als dass diese Forderung bei den Tarifverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern auf den Tisch gelegt worden wäre. Anders war es dann nach dem Zusammenschluss dieser Gewerkschaften zur neuen Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di - hier gab es recht bald eine Fachkommission PP/KJP und die gewünschte bessere Eingruppierung wurde auch in der Gewerkschaft formuliert - nunmehr stand allerdings der damalige Tarifvertrag BAT gänzlich zur Disposition und in den letzten zwei Jahren ging es in Bezug auf den BAT bei den Tarifauseinandersetzungen nur noch um Gehaltsverbesserungen, nicht mehr um strukturelle Veränderungen (die Einfügung neuer Berufsgruppen wäre eine derartige strukturelle Veränderung gewesen ….). Dann kam im vergangenen Jahr endlich der neue Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD), der in vielerlei Hinsicht den alten BAT neu fassen sollte. Allein: zunächst ist er nur ein Torso - ausgefüllt von einem Überleitungsvertrag, der u.a. die früheren BAT-Tarifgruppen neu sortiert. Die abschließenden Verhandlungen zum TVöD (mit dem Bund und den kommunalen Arbeitgebern) im vergangenen September sahen neben dem Zeitplan für die weitere Ausformulierung des TVöD auch eine moderate Gehaltsanpassung vor. Wieder war es vorläufig nichts mit der neuen und angemessenen Einordnung der PP und KJP.

Zum Zeitplan der TVöD-Ausdifferenzierung

Mit dem TVöD wurde das Tarifrecht des öffentlichen Dienstes (Bund und Kommunen) umfassend neu gestaltet - mit Ausnahme der Entgeltordnung, für die eine neue Eingruppierungssystematik entwickelt und erprobt werden soll. Lediglich für ärztliches Personal wurde bereits auf Grund des öffentlichen Drucks eine neue Entgelttabelle vereinbart. Der Versuch Ver.dis, die PP/KJP bereits zu diesem Zeitpunkt in die Ärztetabelle einzubeziehen, wurde zurück gestellt. Da die beabsichtigte Neuregelung der Eingruppierungssystematik sich als sehr komplexes Unterfangen erwies, verständigten sich die Tarifvertragsparteien darauf, diesbezügliche Verhandlungen im Jahre 2006 aufzunehmen, neue Modelle in 2007 zu erproben und bis zum 31.12.2007 zu neuen Vereinbarungen zu kommen. So lange gelten die Eingruppierungsregelungen des BAT weiter. Die in Ver.di organisierten PP und KJP sind über ihre Bundesfachkommission an der Erarbeitung der neuen Eingruppierungssystematik beteiligt und haben frühzeitig ihre Forderungen eingebracht.

Wie kam nun der Marburger Bund ins Spiel?

Kurz vor dem Abschluss dieses Vertrags im September 2005 gab es eine neue Entwicklung: Der Marburger Bund, der bis dahin über Jahrzehnte hinweg als Partner der früheren DAG und dann auch bei Ver.di vertreten war, verlangte plötzlich besondere Arzttarife. Die von den Gewerkschaften erkämpften Arbeitszeitregelungen seien für die Ärzte nicht so wichtig, man sei auch bereit, bis zu 48 Std. zu arbeiten (mit Öffnungsklauseln bis zu 66 Std./Woche), Hauptsache man bekomme das entsprechende Gehalt. In einer kurzfristigen und hektischen Verhandlungsrunde wurde diesem Drängen nachgegeben, und es wurden eigene Arzttarifgruppen im TVöD verankert, die viele dieser Forderungen berücksichtigten. Dem Marburger Bund reichte das nicht, er stieg aus den Verhandlungen kurz vor der Unterschrift unter das fertige Vertragswerk aus und entwickelte eigene Forderungen. Im Frühjahr kam es nun zu separaten Tarifauseinandersetzungen von Ver.di und vom Marburger Bund mit der Tarifgemeinschaft der Länder. Die Übernahme des TVöD für den Länderbereich war noch immer offen gewesen und der MB wollte diese Regelungen für seine Mitglieder ohnehin nicht akzeptieren (sondern 30% mehr Gehalt etc.) und die Streiks der Ärzte begannen. Bei den abschließenden Gesprächen von Ver.di mit der Tarifgemeinschaft der Länder wurde von Seiten von Ver.di noch einmal versucht zu verdeutlichen, dass PP und KJP in gleicher Weise wie Fachärzte zu behandeln seien und entsprechend auch in die Ärztetarifgruppen einzuordnen seien. Allerdings leider vergeblich. Für den Tarifvertrag zwischen Ver.di und TdL (TV-L) gelten die gleichen Vereinbarungen zur Entwicklung einer neuen Entgeltordnung wie für den TVöD und es gibt bereits eine abschließend geregelte Ärztetabelle, die bei längerer Arbeitszeit auch höhere Einkommen für Ärztinnen und Ärzte vorsieht. An den weiteren Verhandlungen der Entgeltordnung ist daher der MB nicht mehr beteiligt. Der MB verhandelte noch einige Zeit weiter und machte öffentlich auf sich als Verhandlungspartner aufmerksam. Er erreichte einen Tarifabschluss, der im wesentlichen den vorher auch von Ver.di vertretenen und schon ausgehandelten Regelungen in Bezug auf die Ärztetarife im TV-L entspricht. Kurz vor dem Abschluss seiner Gespräche hat der MB auch die PP gegenüber den Medien ins Gespräch gebracht (Meldung der SZ vom 13.06.06). Ob dies ernst gemeint war oder eher ein freundliches Signal sein sollte, dass der Marburger Bund, der laut Satzung nur Ärzte aufnehmen kann/will, sich auch für PP und KJP öffnen und auch deren berechtigte Forderungen mit vertreten will, muss in der nächsten Zeit geklärt werden. In den Tarifabschlüssen des Marburger Bundes findet sich leider davon nichts mehr.

Gründe für die Forderung nach facharztäquivalenter Vergütung

PP und KJP üben häufig in Kliniken eine den Stations- und Assistenzärzten vergleichbare Tätigkeit aus, sind diesen gegenüber aber in einigen wesentlichen Punkten, insbesondere in Bezug auf die Bezahlung, schlechter gestellt. Sie müssen nach Abschluss des Studiums ihre 3- bis 5-jährige Ausbildung selbst finanzieren, dabei für das gesetzlich geforderte „Psychiatrische Jahr“ meistens unentgeltlich ein Jahr in einer psychiatrischen Klinik arbeiten. Demgegenüber haben beispielsweise ärztliche Psychotherapeuten - wie auch andere Fachärzte - die Möglichkeit, die in den Kliniken angebotene unentgeltliche Facharzt-Weiterbildung wahrzunehmen, die im Übrigen häufig von Psychologischen Psychotherapeuten durchgeführt wird. Der frühere Tarifvertrag BAT wurde am 23. Februar 1961, also lange vor Einführung des Psychotherapeutengesetzes gestaltet, konnte daher die Berufsgruppe der Psychologischen Psychotherapeuten nicht berücksichtigen und wurde seitdem diesbezüglich auch nicht mehr angepasst. PP sind im BAT daher zumeist äquivalent zu Diplom-Psychologen eingestuft gewesen, KJP häufig noch schlechter, nämlich wie Sozialpädagogen. D.h. die 3- bis 5-jährige Ausbildung wird in der tariflichen Eingruppierung bislang nicht berücksichtigt. Im Gegensatz dazu wurden Ärzte im BAT nach Abschluss der Weiterbildung automatisch höher gruppiert. Die Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten und zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten entspricht jedoch in der Qualifikation einer Facharztweiterbildung.

Wie wird es weitergehen?

Bezüglich der genaueren Ausgestaltung der Tarifgruppen im neuen Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) wird in den nächsten Monaten von Ver.Di mit den Arbeitgebern verhandelt, es wird von Seiten der Gewerkschaft gefordert, dass PP und KJP äquivalent zu Fachärzten eingruppiert werden, was den tatsächlichen Arbeitsinhalten der PP und KJP und auch der Ausbildung entsprechen würde. Die PTK Bayern darf sich zwar aktuell, ebenso wie auch die anderen Kammern, nicht direkt in die Verhandlungen einschalten, wird diese aber zur erfolgreichen Vertretung der Belange der PP/KJP so eng wie möglich begleiten.
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