Psychotherapeutenkammer Bayern

Überwältigendes Interesse an Präventionsveranstaltung - fast 600 Teilnehmer und rund 30 Journalisten im Pressegespräch

24. März 2009 - Die Informationsveranstaltung „Prävention psychischer Störungen – eine Herausforderung für die Zukunft“, die sich an Experten und die interessierte Öffentlichkeit wandte, stieß auf ein überwältigendes Interesse: Rund 600 Personen nahmen an der Veranstaltung, die am Samstag, 21. März 2009, in der LMU München stattfand, teil. Zur Pressekonferenz, die im Vorfeld der Hauptveranstaltung am 19. März im Presseclub München stattfand, waren rund 30 Journalisten gekommen.

Bei der Pressekonferenz stellte Kammerpräsident Dr. Nikolaus Melcop die gesundheitspolitischen Forderungen der PTK Bayern vor. Vizepräsident Peter Lehndorfer erläuterte den Journalisten, welche Möglichkeiten es bei Kindern und Jugendlichen gibt, psychischen Störungen vorzubeugen und was getan werden muss, um die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu verbessern und zu fördern. Vorstandsmitglied Angelika Wagner-Link stellte u. a. Risikofaktoren vor, präsentierte Präventionsstrategien und ging auf Schutzfaktoren ein.

Fast 600 Teilnehmer/innen bei den Fachvorträgen in der großen Aula der LMU München (Foto: Siegfried Sperl) Fast 600 Teilnehmer/innen bei den Fachvorträgen in der großen Aula der LMU München (Foto: Siegfried Sperl)

Als prominenter Gast stand Alexander Huber zur Verfügung, der derzeit zur absoluten Weltspitze in der internationalen Kletterer- und Bergsteigerszene gehört. Alexander Huber gab im Pressegespräch Auskunft über eine zurückliegende psychische Störung, die er auch in seinem Buch „Der Berg in mir“ dargestellt hat: welche Ursachen diese Krise hatte, wie er seine Probleme mit psychotherapeutischer Hilfe erfolgreich bewältigen konnte und wie er sich heute vor Rückfällen schützt.

Bei der Hauptveranstaltung am Samstag herrschte dann großer Andrang, sowohl in den Vorträgen, als auch an den Ständen verschiedener Krankenkassen, Institutionen und Verbände, die Informationsmaterial anboten. In der Eröffnung vor den rund 600 Teilnehmer/innen bezeichnete Dr. Nikolaus Melcop die Prävention psychischer Störungen als eines der wichtigsten Themen unserer Zeit. Er stellte die Notwendigkeit von wissenschaftlich geprüften psychologisch-psychotherapeutischen Präventionsprogrammen dar und erläuterte den Stellenwert von Psychotherapie zur Verhinderung von Rückfällen und Verschlimmerungen bei psychischen Störungen. „Die Prävention psychischer Störungen muss alle Menschen und insbesondere Kinder und Jugendliche erreichen.“

Dr. Georg Walzel, Referatsleiter im Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit, führte in seinen Grußworten aus, dass
„der Vorstoß und die Vorreiterrolle der PTK Bayern eminent wichtig“ sei.

Angelika Wagner-Link, Vorstandsmitglied der PTK Bayern, betonte die Wichtigkeit von Prävention zur Verhinderung von Not und nahm in ihren einleitenden Worten zur Veranstaltung Bezug auf aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes vom 10. März 2009, nach denen die Krankheitskosten für psychische und Verhaltensstörungen im Jahr 2006 auf 26,7 Milliarden Euro angestiegen seien. Die Kosten durch diese Erkrankungen lägen damit um 3,3 Milliarden Euro höher als 2002. Verglichen mit allen anderen Krankheitsarten wäre das der höchste Anstieg in diesem Zeitraum. „Alle Präventionsprogramme müssen daher sorgfältig den verschiedenen Risikogruppen angepasst werden“, so Wagner-Link.

Pressekonferenz im Presseclub München am 19. März 2009: Alexander Huber, Profibergsteiger und Weltklassealpinist, Vizepräsident Peter Lehndorfer, Kammerpräsident Dr. Nikolaus Melcop und Vorstandsmitglied Angelika Wagner-Link (v. l.) (Foto: Wolfgang Weber) Pressekonferenz im Presseclub München am 19. März 2009: Alexander Huber, Profibergsteiger und Weltklassealpinist, Vizepräsident Peter Lehndorfer, Kammerpräsident Dr. Nikolaus Melcop und Vorstandsmitglied Angelika Wagner-Link (v. l.) (Foto: Wolfgang Weber)

Zu den Vorträgen, Workshops und Angeboten der Veranstaltung im Einzelnen (alle Vorträge finden Sie in der unteren Downloadliste):

„Prävention psychischer Störungen – eine Herausforderung für die Zukunft“ war der Titel des ersten Fachvortrages, den Prof. Dr. Dieter Kleiber, Arbeitsbereich Prävention und psychosoziale Gesundheitsforschung, Freie Universität Berlin, hielt. Die Epidemiologie, Versorgungsforschung und Gesundheitsökonomie begründeten den dringenden Bedarf verstärkter Gesundheitsförderung und Prävention auch im Bereich psychischer Störungen. Diese sollte, so Kleiber, vor allem Jugendliche, aber auch Erwachsene als Zielgruppen auswählen, sozial-kompensatorisch und geschlechtersensibel sein und in Settings wie Kindergärten, Schule, Betrieb etc. lebensnah realisiert werden. Dafür seien international (WHO), EU-weit (Grünbuch) und national Rahmenbedingungen zu schaffen (Präventionsgesetz; Leitfaden Prävention der GK) bzw. die gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen zu verbessern. Als Spezialisten für Verhaltensänderung hätten Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut/in/en sowie Psychotherapeut/in/en für Erwachsene hier wichtige Aufgaben: Entwicklung von Präventionsmaßnahmen, flächendeckende Implementierung derselben, Schaffung gesetzlicher und institutioneller Voraussetzungen für ihre Anwendung sowie wissenschaftliche Evaluierung (Evidenzbasierung). Gesundheitsförderung und Prävention sollten deshalb auch in der Aus- und Weiterbildung einen wichtigeren Stellenwert bekommen. „Keine Gesundheit ohne psychische Gesundheit!“, forderte Kleiber. Für deren Herstellung bedürfe es gesellschaftlicher Anstrengungen, und Veränderungen, die gemeinsames Handeln notwendig machten.

Im zweiten Fachvortrag befasste sich Dipl.-Psych. Julia Scharnhorst, Health Professional Plus, Wedel, mit ressourcenorientiertem Stressmanagement. Stress sei das am zweithäufigsten genannte arbeitsbedingte Gesundheitsproblem in Europa, erklärte die Referentin. Berufsbedingter Stress sei daher eine der größten Herausforderungen für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit in der EU. Scharnhorst stellte verschiedene Stressmodelle vor, erläuterte Ansatzpunkte für Stressmanagement, erklärte das ressourcenorientierte Stressmanagement und sprach am Schluss die Resilienz an, die Fähigkeit, sich angesichts andauernder Belastungen, Traumata, Tragödien oder andauerndem Stress anzupassen und wieder zu erholen. Wichtige Techniken der Stressreduktion seien auf der Gefühlsebene Ablenkung und soziale Unterstützung. Situationskontrolle, Zeitmanagement und eine Senkung der eigenen Ansprüche seien wichtige Faktoren auf der Ebene des Denkens. Autogenes Training und Entspannungsmethoden helfen im vegetativen Bereich. Progressive Muskelentspannung, Sport und Bewegung seien weitere Strategien zur ressourcenorientierter Stressbewältigung.

Prof. Dr. Martin Hautzinger, Leiter der Abteilung für Klinische Psychologie und Entwicklungspsychologie an der Eberhard Karls Universität Tübingen, befasste sich in seinem Vortrag mit „Frühprävention von Angst und Depression“. Hautzinger berichtete über Möglichkeiten und Programme zur Frühprävention von Angst und Depression bei Kindern und Jugendlichen und legte Forschungsbefunde zu deren Effektivität vor. Besonderes Interesse fanden die verschiedenen Präventionsprogramme wie u. a. „Freunde“, „Go“, „Lars und Lisa“ sowie „Yes“, die der Referent näher erläuterte. Die Schlussfolgerungen von Prof. Hautzinger: präventive Programme zur Vorbeugung depressiver bzw. ängstlicher Symptomatik stehen zur Verfügung und funktionieren; diese Programme haben bei leichter Symptomatik therapeutische Effekte; Programme sind altersgerecht und leistungsangemessen zugänglich; Programme werden gut angenommen, sowohl von Kindern, wie von Lehrern; vermehrte und weitere Anstrengungen bei der Evaluation sind erforderlich.

Prof. Dr. Kurt Hahlweg, Angelika Wagner-Link, Prof. Dr. Martin Hautzinger, Dr. Nikolaus Melcop und Peter Lehndorfer (v. l.) (Foto: Siegfried Sperl) Prof. Dr. Kurt Hahlweg, Angelika Wagner-Link, Prof. Dr. Martin Hautzinger, Dr. Nikolaus Melcop und Peter Lehndorfer (v. l.) (Foto: Siegfried Sperl)

Der letzte Fachvortrag mit dem Titel „Prävention kindlicher Verhaltensstörungen: Bevor das Kind in den Brunnen fällt“ wurde von Prof. Dr. Kurt Hahlweg, Institut für Psychologie, TU Braunschweig, gehalten. „Psychosoziale Belastungsfaktoren in der Kindheit haben lebenslange Folgewirkungen“, betonte Hahlweg. Einer der Schwerpunkte war die Erläuterung des von Prof. Sanders, Brisbane, erstellten positiven Erziehungsprogramms „Triple P“ (Positive Parenting Program). In dem Beitrag wurden die Ergebnisse von eigenen Studien mit dem Triple P-Programm dargestellt, in denen die Wirksamkeit des Elterntrainings in der Gruppe oder als therapeutengestützte Prävention untersucht wurde. Es zeigten sich deutliche und anhaltende Verbesserungen des elterlichen Erziehungsverhaltens, des kindlichen Problemverhaltens, der Belastung der Eltern und auch der Zufriedenheit mit der Partnerschaft. Am Schluss seines Vortrags stellte Prof. Hahlweg die provokante Frage, wie viel uns die psychische Gesundheit unserer Kinder wert sei. Wenn jede Familie in Deutschland, so die Überlegungen des Referenten, pro Monat nur einen Euro abgeben könnte, so wäre die Etablierung ausreichender präventiver Maßnahmen gesichert. „Wir können Prävention machen, wir müssen es nur tun.“
Die am Nachmittag parallel stattfindenden vier Workshops wurden von vielen interessierten Teilnehmern besucht:
WS 1: „Lebenslust mit Lars und Lisa“.

Folgende Stände verschiedener Krankenkassen, Institutionen und Verbände wurden angeboten: Die Techniker Krankenkasse gab individuelle Beratung zum Thema „Stressprävention“, der Landesverband Bayern der BKK stellte das „HILFE“-Konzept der Betriebskrankenkassen vor, das sich an Führungskräfte und Mitarbeiter von psychisch kranken Menschen im Unternehmen wendet. Das Münchner Bündnis gegen Depression gab an seinem Stand Auskunft über vorbeugende Möglichkeiten gegen depressive Erkrankungen. Frühe Hilfen in der Erziehungsberatung sowie der richtige Umgang mit Schreibabies und Kindern bis zum dritten Lebensjahr, die an Ess- und Schlafstörungen leiden, präsentierte die Landesarbeitsgemeinschaft und Fachverband für Erziehungs-, Jugend- und Familienberatung Bayern (LAG).

Die Landeszentrale für Gesundheit in Bayern (LZG) informierte an ihrem Stand zur Prävention von Sucht und stellt ihre Nichtraucherinitiative „Bayern atmet durch“ vor. Der Landesverband Bayerischer Schulpsychologen (LBSP) zeigte Wege zur Förderung sozialer Kompetenzen in der Schule, gab Tipps bei Mobbing und erklärte, wie die Gesundheit von Lehrern gefördert werden kann. Die Universität München, Department Psychologie, stellte das Konzept „Freiheit in Grenzen“ vor, drei interaktive DVDs zur Stärkung elterlicher Erziehungskompetenzen. An einem zweiten Stand informierte die Universität München gemeinsam mit dem Institut für Forschung und Ausbildung in Kommunikationstherapie, wie man die Kommunikationskompetenz in Partnerschaft und Familie stärken kann.

Viele Fragen ergaben sich an den Informationsständen der Krankenkassen, Institutionen und Verbände (Foto: Siegfried Sperl). Viele Fragen ergaben sich an den Informationsständen der Krankenkassen, Institutionen und Verbände (Foto: Siegfried Sperl).
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