Psychotherapeutenkammer Bayern

Psychotherapie und psychologische Interventionen bei körperlichen Erkrankungen – über 100 Teilnehmer in der LMU München

09. März 2010 - Der Senatssaal in der LMU München war am Samstag, 6. März 2010, bis auf den letzten Platz gefüllt: Die erste Fortbildungsveranstaltung der PTK Bayern im Jahr 2010 mit dem Titel „Psychotherapie und psychologische Interventionen bei körperlichen Erkrankungen“ stieß bei den Kammermitgliedern auf großes Interesse.

In seiner Begrüßung betonte Kammerpräsident Dr. Nikolaus Melcop die Bedeutung von psychologisch-psychotherapeutischen Interventionen bei körperlichen Erkrankungen und forderte die stärkere Einbeziehung der Psychotherapeut/inn/en bei der Diagnostik und der sich daraus ergebenden Behandlung. „Auch für Menschen mit schweren und chronischen körperlichen Erkrankungen muss es zukünftig verstärkt wissenschaftlich fundierte psychologisch-psychotherapeutische Angebote geben, um damit sowohl individuelles Leid zu reduzieren als auch erhebliche Kosten für Fehlbehandlungen einzusparen.“
Kammerpräsident Dr. Nikolaus Melcop begrüßte die zahlreichen Teilnehmer (Foto: Siegfried Sperl)

Im ersten Fachvortrag ging PD Dr. Dipl.-Psych. Oskar Mittag, Psychologischer Psychotherapeut an der Universitätsklinik Freiburg, auf psychologische und psychotherapeutische Interventionen bei Herz-Kreislauferkrankungen ein. Herz-Kreislauferkrankungen und in erster Linie die koronare Herzkrankheit (KHK) seien in allen Industrieländern die mit Abstand häufigste chronische Krankheit und die Ursache für (vorzeitigen) Tod. Psychische Faktoren spielten bei der Entwicklung und Prognose der KHK eine wesentliche Rolle. Studien zufolge verdopple eine Depression das Mortalitätsrisiko, wenn eine KHK bereits diagnostiziert wurde. Allerdings, so betonte Dr. Mittag, bleibe ungeklärt, ob es sich tatsächlich um eine Ursache-Wirkungs-Beziehung handele. Die Behandlung allein einer Depression erreiche vermutlich keine Verbesserung der Prognose. Dr. Mittag betonte jedoch insgesamt, dass psychologischen Interventionen – in erster Linie Stressbewältigung und Entspannung – zusammen mit der Umstellung der Lebensführung bei der Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ein hoher Stellenwert zukomme. Den kompletten Vortrag von Dr. Mittag finden Sie in der Downloadliste (759 KB). 

Dr. Oskar Mittag informierte zum Thema „Psychologische und psychotherapeutische Interventionen bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen“ (Foto: Siegfried Sperl)
Dr. Dipl.-Psych. Sabine Waadt, Psychologische Psychotherapeutin, Arbeitsgruppe Verhaltensmedizin bei körperlich chronischen Erkrankungen und Progredienzangst am Institut und Politklinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Klinikum Rechts der Isar, befasste sich in ihrem Vortrag mit dem Thema „Psychotherapie bei Diabetes mellitus“. 2008 seien etwa 500.000 Bundesbürger am Typ 1 Diabetes mellitus erkrankt. Sechs Millionen Menschen wären 2004 wegen Typ 2 Diabetes mellitus behandelt worden, tatsächlich werde die Zahl der Betroffenen jedoch auf sieben bis acht Millionen geschätzt. Vor allem der Typ 2 werde oft lange übersehen, wodurch dann bereits schwere Gesundheitsprobleme entstanden seien. Mehrere Studien belegten hinsichtlich der Komorbidität zu Diabetes eine erhöhte Prävalenz für Depressivität mit einem damit erhöhten Risiko für körperliche, seelische und soziale Einschränkungen. Eine leicht erhöhte Prävalenz konnten weitere Studien für Angststörungen und Essstörungen aufzeigen. Wichtig sei, im Rahmen der stationären Behandlung von Diabetes auch psychische Störungen zu berücksichtigen: Diabetes provoziere psychische Belastungen und verkompliziere bestehende psychische Störungen. Umgekehrt behinderten psychische Störungen unter Umständen die erfolgreiche Behandlung und wirkten ggf. auf die Stoffwechselbedingungen ungünstig ein. Die Therapieprinzipien bei einer Psychotherapie bei Diabetes, so betonte die Referentin, gelten wie bei anderen psychischen Störungen auch, die psychophysischen Wechselwirkungen jedoch seien extrem bedeutsam. Den kompletten Vortrag von Dr. Waadt finden Sie in der unteren Downloadliste (207 KB).
„Psychotherapie und psychologische Interventionen bei körperlichen Erkrankungen“ am 6. März 2010 in München (v. l.): Dr. Oskar Mittag, Dipl.-Psych. Wolfgang Schütz, Dr. Bernhard Klasen, Dr. Sabine Waadt, Vizepräsident Dr. Bruno Waldvogel, Kammerpräsident Dr. Nikolaus Melcop, Dr. Gerd Schauerte (Foto: Johannes Schuster)

„Psychotherapie bei der Behandlung von Asthma und Neurodermitis bei Kindern und Jugendlichen“ war das Thema von Dipl.-Psych. Wolfgang Schütz, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut, Asthma- und Neurodermitistrainer sowie Dr. med. Gerd Schauerte, Kinderarzt und Leiter des Institutes für Verhaltensmedizin bei Neurodermitis und Asthma, beide CJD Asthmazentrum Berchtesgaden. Studien zufolge seien Asthma bronchiale und Neurodermitis an der Entstehung und Aufrechterhaltung psychischer Auffälligkeiten beteiligt. Psychische Auffälligkeiten seien umgekehrt an der Entstehung und Aufrechterhaltung von Asthma beteiligt. Asthma und Neurodermitis sowie psychische Auffälligkeiten verstärken sich damit in vielen Fällen gegenseitig. Dabei treten Asthma und Neurodermitis gehäuft in Kombination mit kinder- und jugendpsychiatrischen Erkrankungen wie Depression, Aktivitäts-, Aufmerksamkeits- und hyperkinetischer Störung des Sozialverhaltens auf. Für Psychotherapeut/inn/en, so betonten die Experten, sei es wichtig, sich über die Einflüsse und Auswirkungen beider Erkrankungen auf das psychische Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen zu informieren. Dazu gehöre auch, die Auswirkung dieser Erkrankungen auf das tägliche Leben zu kennen und im Rahmen der therapeutischen Arbeit zu berücksichtigen. Psychotherapeut/inn/en und Kinder- und Jugendärzt/innen/e sollten gemeinsam die individuelle Therapie absprechen, um die Lebensqualität der körperlich und seelisch Erkrankten zu verbessern. Es komme zunächst darauf an, die chronische Krankheit mit dem Kind oder Jugendlichen zu thematisieren, die Familie und Fachleute mit einzubeziehen sowie Kinder und Eltern zu schulen. Wesentlich sei eine psychotherapeutische Behandlung der zu Asthma und Neurodermitis nachfolgend oder gleichzeitig auftretenden psychischen Erkrankungen. Den kompletten Vortrag von Wolfgang Schütz und Dr. Schauerte finden Sie weiter unten (2 MB). 

Der Senatssaal in der LMU München war bis auf den letzten Platz gefüllt (Foto: Siegfried Sperl)
„Psychotherapie und interdisziplinäre Therapie bei chronischen Schmerzen“ war der Titel des Fachvortrags von Dr. Dipl.-Psych. Bernhard Klasen, Psychologischer Psychotherapeut, Spezielle Schmerztherapie, Algesiologikum, München. Der chronische Schmerzpatient habe in der Regel verschiedene Schmerzorte, eine lange Schmerzkarriere, leide an erheblichen psychosozialen Belastungen und habe viele erfolglose Vortherapien hinter sich. Rund 15 Millionen Deutsche haben chronische Schmerzen. Die Therapie der Wahl sei die multimodale Schmerztherapie, welche die psychologische Schmerztherapie beinhalte. Deren Methoden können u. a. aus kognitiver Verhaltenstherapie, Hypnose und Imaginationstechniken, Schmerzbewältigungstraining, Biofeedback, Entspannungsverfahren oder Akzeptanz- und Commitmenttherapie bestehen. Ziel der psychologischen Schmerztherapie sei es u. a., Bewältigungsfertigkeiten zu vermitteln, die es dem Patienten ermöglichen, besser mit seinen Schmerzen und dessen Folgen umzugehen. Die zentralen Therapiebausteine der „Acceptance and Commitmenttherapie“ (ACT) seien Achtsamkeitsübungen, bei denen die Patienten Techniken erlernen, die sie in die Lage versetzen, eigene Gedanken gleichmütig („achtsam“) zu betrachten, ohne mit ihnen zu „verschmelzen“. Zu den Bausteinen gehören auch die Konfrontation mit Gedanken/Gefühlen sowie Aufbau bzw. Konzentration auf wertbasiertem Handeln. Multimodale Schmerztherapie heiße nicht, so betonte Dr. Klasen, verschiedene Verfahren gleichzeitig anzuwenden, einen Psychologen dazu holen, auch Physiotherapie und Trainingstherapie anzubieten oder komplexe Schmerzbilder konsiliarisch zu erörtern. Vielmehr gehe es um eine inhaltlich eng abgestimmte multidisziplinäre Behandlung in Kleingruppen, in denen somatische, körperliche und psychologisch übende sowie psychotherapeutische Verfahren eingebunden seien. Den kompletten Vortrag von Dr. Klasen finden Sie in der unteren Liste (3 MB).

In seinen Schlussworten bedankte sich Präsident Dr. Nikolaus Melcop für die Vorträge und die regen Diskussionen und kündigte an, dass die PTK Bayern auch weiterhin aktiv Brennpunkte und Optionen der Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung sowohl für die Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten als auch die Öffentlichkeit thematisieren werde, so u. a. auch in der nachfolgenden Pressekonferenz „Behandlung chronischer Schmerzpatienten“ am 11. März und beim Landespsychotherapeutentag zum Thema „Innovationen in der Psychotherapie“.

PTK Bayern
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