Psychotherapeutenkammer Bayern

Altersspezifische psychotherapeutische Behandlungsansätze führen zu mehr Lebensqualität für ältere psychisch kranke Menschen

11. Dezember 2013 - Am 7. Dezember 2013 fand in Augsburg die Fortbildung „Psychotherapeutische Behandlung von älteren Menschen“ statt. An der gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) organisierten Veranstaltung nahmen rund 50 Psychotherapeut/innen teil.

In der Eröffnung sagte Vorstandsmitglied Birgit Gorgas, dass Menschen über 60 Jahre noch immer deutlich seltener eine Psychotherapie erhalten als jüngere Menschen. Bei den über 70-Jährigen seien es sogar nur 1,3%, die psychotherapeutisch behandelt würden, während mehr als jede/r Vierte aber Psychopharmaka verschrieben bekomme. Demgegenüber stehe aber ein wachsendes Interesse und Bewusstsein für die Chancen psychotherapeutischer Behandlungen bei älteren und alten Menschen.

Professor Dr. med. Hartmut Radebold, gerne auch als Nestor der Alterspsychotherapie in Deutschland bezeichnet, ging in seinem Vortrag auf die Zielsetzungen, Möglichkeiten und Grenzen der psychodynamischen Psychotherapie über Sechzigjähriger ein. Dabei stellte er dar, welche besonderen Entwicklungsaufgaben Menschen im Alter zu bewältigen haben und welche übergreifenden Therapieziele sich daraus ableiten, dies oft zusätzlich zu dem eigentlichen Anlass für die Psychotherapie. Radebold betonte, dass auch bei über Sechzigjährigen Psychotherapie möglich und erfolgreich sei und stellte die Besonderheiten in der Beziehung zwischen Therapeut/in und meist deutlich älterer Patientin oder älterem Patienten dar. Die Ziele der Behandlung seien auf die verbleibende Lebensphase hin gemeinsam mit den Patient/innen zu definieren. Im Rahmen der Therapieformen hätten sich Einzelbehandlung und übende Verfahren in der Gruppe bewährt. Für chronisch depressive und psychosomatisch erkrankte ältere Menschen seien ergänzende fortlaufende Gesprächsgruppen sinnvoll.

Danach stellte Prof. Martin Hautzinger, Leiter der Abteilung für Klinische Psychologie und Entwicklungspsychologie an der Universität Tübingen, „Psychologische Interventionen und Kognitive Verhaltenstherapie bei Depressionen im höheren Lebensalter“ vor. Studien zufolge suchten 69% der Patient/innen mit Depression ihren Hausarzt ausschließlich aufgrund von körperlichen Beschwerden auf. Chronische körperliche Gebrechen, Krankenhausaufenthalte, Operationen, Einnahme bestimmter Präparate, Verluste der/des Lebenspartner/in/s und des Berufs und wachsende Defizite bei den Ressourcen und Fertigkeiten seien wesentliche Risikofaktoren, an einer Altersdepression zu erkranken. Hinzu komme häufig die Verarmung des sozialen Stütz- und Kontaktnetzes sowie der Mangel an Zielen, Interessen und Beschäftigungen. Träfen diese Faktoren auf Personen, die aufgrund ihrer Lebensgeschichte, ihrer Sozialisation, Bildung, Persönlichkeit, ihrer Ressourcen und kognitiven Verarbeitungsmuster die erforderlichen Anpassungsleistungen nicht bewerkstelligen, sei die Folge meist eine Depression. Im Rahmen der Psychotherapie komme es darauf an, Passivität und Inaktivität zu überwinden, pessimistisches, negatives Denken zu reduzieren, reale Schwierigkeiten besser zu bewältigen sowie die Akzeptanz von Alter und Älterwerden zu erhöhen. Bei der Lösung sozialer Probleme seien lokale Dienste und Angebote unterstützend einzubeziehen. Besonderes Augenmerk richtete Prof. Hautzinger auch auf die Situation von somatisch erkrankten und pflegebedürftigen Patient/innen – etwa mit Schlaganfall oder Parkinson -, die krankheitsbedingt eine Depression entwickeln, und auf deren Angehörige, die in ihrer hohen Beanspruchung ein Risiko tragen, selbst an einer Depression zu erkranken. Hier können etwa Problemlösetrainings zur Entlastung und psychischen Stabilisierung der Angehörigen beitragen.

Workshops mit beiden Referenten am Nachmittag ermöglichten die Diskussion und Vertiefung der Inhalte aus den Vorträgen.

Die Vorträge haben wir in der unteren Liste zum Herunterladen bereitgestellt.

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