Psychotherapeutenkammer Bayern

Rund 100 Teilnehmer/innen bei Veranstaltung "Psychotherapie mit (Sexual)-Straftätern"

Am Freitag, 2. März 2012, fand die Fortbildungsveranstaltung „Psychotherapie mit (Sexual-)Straftätern“ statt, die in Kooperation mit dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (StMJV), den Psychotherapeutischen Fachambulanzen für Sexualstraftäter in München, Würzburg und Nürnberg und den Sozialtherapeutischen Einrichtungen in Erlangen und Amberg durchgeführt wurde. Veranstaltungsort war der Justizpalast in München.

Der Anlass für die Fortbildungsveranstaltung war, dass die Kapazitäten zur psychotherapeutischen Behandlung von Straftätern, insbesondere Sexualstraftätern derzeit unzureichend sind. So berichten die Fachambulanzen über einen eklatanten Mangel an niedergelassenen Psychologischen Psychotherapeut/inn/en zur ambulanten (Weiter-)Behandlung der Patienten. Niedergelassene Kolleginnen und Kollegen sollten über Perspektiven und Möglichkeiten bei der Behandlung von (Sexual-)Straftätern informiert werden. Sie sollten auch dazu motiviert werden, sich verstärkt an der psychotherapeutischen Behandlung dieses Personenkreises zu beteiligen. Auch Richter, Staatsanwälte, Bewährungshelfer und andere Angehörige der Justiz konnten sich an diesem Fachtag über die Möglichkeiten der Psychotherapie mit Straftätern informieren.

Fast 100 Teilnehmer/innen, je zur Hälfte aus den Fachgebieten Psychotherapie und Justiz, nahmen am gemeinsamen Fachtag teil. Speziell von Seiten der Justiz gab es eine so große Nachfrage nach der Veranstaltung, dass sie durch das beschränkte Kontingent an Plätzen nicht befriedigt werden konnte. Die Eröffnung und weitere Moderation der Veranstaltung erfolgte durch Dr. Andreas Rose, Vorstandsbeauftragter Forensik der PTK Bayern. Dr. Rose wies in diesem Zusammenhang noch einmal auf die jüngst von der PTK verabschiedete Sachverständigenrichtlinie Forensik hin, mit der neue Qualitätsstandards für psychologische Gutachten im Bereich der Forensik etabliert werden sollen.


Dr. Andreas Rose, Vorstandsbeauftragter Sachverständigentätigkeit
Forensik und Sozialrecht der PTK Bayern, moderierte die Veranstaltung. (Foto: Johannes Schuster)

Grußworte wurde gesprochen durch Dr. Nikolaus Melcop, Präsident der PTK Bayern und durch Dr. Walter Schön, Ministerialdirektor im StMJV. Dr. Melcop führte aus, dass es für Justiz und Psychotherapie letztendlich einen gemeinsamen sozialwissenschaftlichen Bezugsrahmen gebe. Er skizzierte die besonderen fachlichen Voraussetzungen von Psychotherapeut/inn/en für Diagnostik, Begutachtung und Therapie von behandlungsbedürftigen Straftätern.


Kammerpräsident Dr. Nikolaus Melcop. (Foto: Johannes Schuster)

Dr. Walter Schön, als Vertreter der bayerischen Justizministerin Dr. Beate Merk, dankte im Auftrag der Ministerin für die Initiative zu dieser Veranstaltung und unterstrich das hohe Interesse der Justiz an der Thematik. Therapie senke die Rückfallgefahr von Straftätern und leiste daher einen wesentlichen Beitrag zum Schutz der Bevölkerung vor Rückfalltaten. Dem Justizministerium sei prinzipiell daran gelegen, die therapeutische Versorgung – die bisher nicht zufriedenstellend sei – für diesen Personenkreis zu verbessern. Speziell zur ambulanten Behandlung von Sexualstraftätern seien seit 2007 in Bayern drei Fachambulanzen eröffnet worden.


Ministerialdirektor Dr. Walter Schön, Amtschef
des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. (Foto: Johannes Schuster)

Michael Behnke, Leiter der JVA Erlangen (Sozialtherapeutische Anstalt für Gewaltstraftäter), gab in seinem Referat einen Überblick über Konzepte für psychologische Diagnostik und Intervention bei Straftätern. Zentrale Ausführungen dieses Referats wurden von den folgenden Referent/inn/en aufgegriffen und vertieft. Zu den wichtigen Stichworten gehörten: Persönlichkeit, sexuelle Stilbildung, Delinquenztheorie und wirksame Behandlungsprogramme bei Straftätern. Sein Fazit: Täterarbeit sei überdauerndes Risikomanagement, bei dem es gelte, Krisen immer wieder zu bewältigen.

Dr. Claudia Groß, Leiterin der Sozialtherapie der JVA Amberg, erläuterte das therapeutische Vorgehen im Vollzug (stationär). Sie gab einen Überblick über die sozialtherapeutischen Einrichtungen in Bayern, Ziele der sozialtherapeutischen Maßnahmen im Justizvollzug, Behandlungskonzepte und besondere Problemstellungen in der stationären Therapie von Straftätern. Sie unterschied zwischen deliktspezifischen und störungsspezifischen Ansätzen und ging insbesondere auf spezifische Merkmale behandlungsbedürftiger Sexualstraftäter ein. Behandlungskonzepte stellte sie differenziert vor und reflektierte besondere Problemstellungen wie Therapiemotivation und Therapiefähigkeit. Auch Grenzen Sozialtherapeutischer Möglichkeiten (z. B. durchgängige Deliktleugnung) wurden von ihr explizit benannt.

Die Leiter/innen der Fachambulanzen gestalteten gemeinsam einen Block zur ambulanten Behandlung von Sexualstraftätern. Claudia Schwarze gab einen Überblick über die in Bayern neu eingerichteten Dienste in München, Nürnberg und Würzburg und stellte das bisher behandelte Klientel vor. Markus Feil illustrierte das therapeutische Procedere an Hand der Vorstellung einer Fallgeschichte. Dieser Fall wurde als ein „Fall für uns“ charakterisiert. Soll heissen: dieser Fall sei auf das Profil der Fachambulanz zugeschnitten und kaum geeignet für die Weiterbehandlung durch eine niedergelassene Fachkollegin. Ebenfalls eine Fallgeschichte präsentierte Klaus Weth. Bei dieser Falldarstellung wurde ausgeführt, es sei „ein Fall für Sie“. Dieser Fall sei exemplarisch dafür, wann eine Weiterbehandlung durch niedergelassene Kolleginnen denkbar und wünschenswert sei. Bei der Diskussion dieser Vorträge gab es aus dem Plenum sehr engagierte Beiträge. Es wurde darauf hingewiesen, dass man Täterbehandlung als aktiven Opferschutz sehe, dass Täter – psychotherapeutisch gesehen – auch Opfer seien und dass es durchaus die Erfahrungen gebe, mit den Tätern ein leicht zu behandelndes Klientel zu haben.

Dr. Johann Endres, Leiter der Kriminologischen Forschungsstelle schloss die Vorträge ab. Er stellte Forschungsergebnisse zur Behandlung von Straftätern vor. Er führte noch einmal aus, das Ziel der Straftäterbehandlung sei, neue (schwere) Straftaten zu verhindern. Das zentrale Erfolgsmaß in dieser Forschung sei die Rückfallquote. Das zentrale Fazit von Dr. Endres war, Straftäterbehandlung sei (in der Regel, im Durchschnitt, in vielen Fällen) wirksam. Die Effekte seien in einer ähnlichen Höhe wie die vieler medizinischer Standardbehandlungen. Die Wirksamkeit sei allerdings deutlich geringer als z. B. bei der Psychotherapie von Depression. Breiten Raum nahm die Darstellung des RNR-Modell von Andrews & Bonta ein. Demnach sind die drei Grundprinzipien erfolgreicher Behandlung folgende: Risk principle: Die Intensität der Behandlung soll an der individuellen Gefährlichkeit ausgerichtet werden. (Wer ist zu behandeln?). Need principle: Die Behandlungsziele sollten den dynamischen Risikofaktoren entsprechen. (Was ist zu behandeln?). Responsivity principle: Die Art der Behandlung sollte an der individuellen Ansprechbarkeit des Klienten (kognitive Fähigkeiten, Motivation, kultureller Hintergrund) ausgerichtet sein. (Wie ist zu behandeln?). Ausdrücklich gewürdigt wurden auch die Grenzen der Straftäterbehandlung, speziell unter dem Gesichtspunkt des Konzeptes der Psychopathie.


Die Referent/inn/en und Experten der Veranstaltung, die am 2.3.2012 im Justizpalast in München stattgefunden hat (v. l.): Klaus Weth, Leiter der Psychotherapeutischen Fachambulanz für Sexualstraftäter Würzburg, Kammerpräsident Dr. Nikolaus Melcop, Dr. Johann Endres, Leiter des Kriminologischen Dienstes des bayerischen Justizvollzugs, Claudia Schwarze, Leiterin der Psychotherapeutischen Fachambulanz für Sexualstraftäter Nürnberg, Dr. Claudia Groß, Leiterin der Sozialtherapie an der JVA Amberg, Michael Behnke, Leiter der JVA Erlangen, Markus Feil, Leiter der Psychotherapeutischen Fachambulanz für Sexualstraftäter München, Ministerialdirektor Dr. Walter Schön, Dr. Andreas Rose, Vorstandsbeauftragter Forensik der PTK Bayern. (Foto: Johannes Schuster).

Die Fortbildungsveranstaltung kann insgesamt als großer Erfolg gewertet werden. Bemerkenswert war speziell die Nähe, die sich zwischen Justiz(-vollzug) und Psychotherapie manifestiert hat. Es ist geplant, in der bewährten Kooperation weitere Fortbildungen anzubieten, die für niedergelassene Psychotherapeut/inn/en weiteres Spezialwissen zur Behandlung von Straftätern vermitteln. Auch gibt es Überlegungen, für Justizangehörige ein weiteres Angebot zu machen.

 

Rund 100 Psychologische Psychotherapeut/inn/en, Richter, Staatsanwälte
und Justizbeamte nahmen an der Veranstaltung im Münchener Justizpalast teil. (Foto: Johannes Schuster)

 

 

VOILA_REP_ID=C12576B1:002BE964