Psychotherapeutenkammer Bayern

15. Suchtforum „Schmerz(medizin) trifft Sucht(medizin)“: Fast 500 Teilnehmer/innen in München

Unter dem Titel „Schmerz(medizin) trifft Sucht(medizin) – Schmerzmittel zwischen Fluch und Segen?!“ fand am 6. April 2016 im Zentrum für Pharmaforschung Großhadern, München, das 15. Suchtforum statt. Die Kooperationspartner des Suchtforums  – PTK Bayern, Bayerische Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen BAS e.V., Bayerische Landesärztekammer (BLÄK) sowie Bayerische Landesapothekerkammer (BLAK) – wollten beim diesjährigen Suchtforum im wichtigen Grenzbereich zwischen Suchtmedizin und Schmerzmedizin gemeinsam mit Psychotherapie und Pharmazie Orientierungen für die Praxis vermitteln. Die Jubiläumsveranstaltung richtete sich an Psychologische Psychotherapeut/innen, Kinder-und Jugendlichenpsychotherapeut/innen, Ärztinnen und Ärzte, Apotheker/innen, Mitarbeiter von Suchthilfeeinrichtungen, Suchtberatungsstellen und Schmerzambulanzen sowie weitere mit dem Thema Schmerz und Abhängigkeitserkrankungen befasste Berufsgruppen.

Jahrzehntelang waren Schmerzpatient/innen unterversorgt aus Sorge, durch Anwendung stärkerer Schmerzmittel eine Sucht auszulösen. Schmerzmittel bergen zwar immer ein gewisses Suchtpotenzial in sich, Sucht entwickelt sich aber zusätzlich aus dem Zusammenspiel von Merkmalen der Person und der Umwelt. Seit dem Jahr 2000 haben sich die Verordnungen synthetischer Opioide vervierfacht. Dennoch werden nur wenige Schmerzpatient/innen durch ein Schmerzmittel abhängig. Auch finden synthetische Morphine bei Opiatabhängigen als Ersatzmittel Anwendung. Immer wieder wird die Frage diskutiert, welche Rolle die Schmerzmedikation bei der Suchtentwicklung spielt und wie mit möglichen Risiken umgegangen werden kann. Vor dem Hintergrund der mittlerweile 23 Millionen Schmerzpatient/innen in Deutschland muss deshalb der Grenzbereich zwischen der Sucht- und Schmerzmedizin viel differenzierter bearbeitet werden.

Die Fachreferenten informierten die Teilnehmer/innen zu den Themen „Sucht und Schmerz. Anthropologische Aspekte“, „Schmerzmittel im pharmazeutischen Profil“, „Schmerztherapie zwischen Standards und individueller Problemlage“ sowie über „die Rolle der multimodalen Therapie“.

Vor Beginn des Suchtforums fand auf dem Campus Großhadern eine Pressekonferenz statt, auf der die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml ein auf den Patienten abgestimmtes Vorgehen im Rahmen einer wirksamen Therapie im Grenzbereich der Schmerz- und Suchtmedizin hervorhob. Einfache Lösungen von der Stange gebe es nicht, es gelte stets abzuwägen zwischen der Notwendigkeit einer wirksamen Schmerztherapie und dem möglichen Suchtpotenzial. Die Ansprechpartner/innen der Kooperationspartner – Priv.-Doz. Dr. Heiner Vogel, Vorstandsmitglied der PTK Bayern, Prof. Dr. Dr. Dr. Felix Tretter, Vorstand der bayerischen Akademie für Suchtfragen in Forschung und Praxis, Dr. Heidemarie Lux, Vizepräsidentin der BLÄK, sowie Ulrich Koczian, Vizepräsident der BLAK, wiesen auf die Verunsicherung in der Verordnung von Schmerzmitteln hin, vor allem von Opioiden. Das sei insbesondere dann gegeben, wenn das Suchtpotenzial dieser Substanzen nicht zutreffend abgeschätzt werden kann. Diese Problemlage erfordere daher eine bessere Zusammenarbeit zwischen der Sucht- und der Schmerzmedizin und den damit involvierten Berufsgruppen wie den Psychotherapeut/innen, die therapeutisch, und den Apotheker/innen, die präventiv Hilfe bieten können, so die gemeinsame Erklärung der BAS und der drei Heilberufekammern. Melanie Huml nahm in der Pressekonferenz darüber hinaus Bezug auf den Zugang zu Cannabis als Arzneimittel. Wörtlich sagte sie: „Das derzeitige Vorhaben der Bundesregierung, betroffenen Patientinnen und Patienten den Zugang zu weiteren Arzneimitteln auf Cannabisbasis auf Betäubungsmittelrezept zu erleichtern, begrüße ich.“ Wichtig sei dabei, dass die Sicherheit und Kontrolle im Betäubungsmittelverkehr auch weiterhin gewährleistet werden könne. „Ich erwarte, dass die Bundesregierung einem möglichen Missbrauch von Cannabis-Arzneimitteln mit klaren Regelungen einen Riegel vorschiebt', so Huml.

Melanie Huml, Bayerische Staatsministerin für Gesundheit und Pflege (2. v. r.) mit den Kooperationspartnern des 15. Suchtforums (v. l.): Ulrich Koczian, Dr. Heidemarie Lux, Priv.-Doz. Dr. Heiner Vogel und Prof. Dr. Dr. Dr. Felix Tretter. (Foto: Siegfried Sperl)

Für Priv.-Doz. Dr. Heiner Vogel, Vorstandsmitglied der PTK Bayern, stellt die mögliche Indikation für die Gabe von Opioiden aufgrund von Schmerzen bei gleichzeitiger Substanzabhängigkeit eine interdisziplinäre Herausforderung dar. Eine enge Abstimmung bezüglich schmerz- und suchttherapeutischer Behandlungselemente sei wesentlich. „Der Einsatz von psychosozialen und psychotherapeutischen Interventionen einerseits und medizinisch-somatischen Interventionen andererseits ist unerlässlich, um die komplexe, durch bio-psychosoziale Wechselwirkung geprägte Symptomatik erfolgreich behandeln zu können“, forderte Vogel. „Es ist für Schmerzpatienten unverzichtbar, mit ihnen ein bio-psychosoziales Störungsverständnis zu erarbeiten und auf dieser Grundlage gemeinsam realistische Therapieziele und einen sachgerechten Therapieplan zu entwickeln, die die verschiedenen Behandlungsbausteine sinnvoll integrieren.“

Vorstandsmitglied Priv.-Doz. Dr. Heiner Vogel auf der Pressekonferenz im Zentrum für Pharmaforschung Großhadern. (Foto: Siegfried Sperl)

Die Presseinformation, das Grußwort von Staatsministerin Melanie Huml zur Veranstaltung, die Statements der Expert/innen der Pressekonferenz sowie die Präsentationen der Fachvorträge der Referent/innen können Sie als pdf-Dateien in der unteren Liste herunterladen.

Die Themen der Fachvorträge im Überblick:

  • Sucht und Schmerz. Anthropologische Aspekte
    (Prof. Dr. Eckhard Frick SJ, München)
  • Schmerzmittel im pharmazeutischen Profil
    (Matthias Bastigkeit, Geschendorf)
  • Schmerztherapie zwischen Standards und individueller Problemlage
    (PD Dr. Dominik Irnich, München)
  • Gemeinsam gegen Schmerz und Sucht – die Rolle der multimodalen Therapie
    (Dr. Götz Berberich, Windach)
Im Liebig-Hörsaal im Zentrum für Pharmaforschung Großhadern fand die Jubiläumsveranstaltung statt. (Foto: Siegfried Sperl)

Das 15. Suchtforum wird mit den gleichen Inhalten am 2.12.2016 in Nürnberg wiederholt.

VOILA_REP_ID=C12576B1:002BE964