Psychotherapeutenkammer Bayern

Interventionsprogramm für suchtkranke Psychotherapeut*innen der PTK Bayern (SIP)

Ob Alkohol, Psychopharmaka, Cannabis oder illegale Substanzen: Abhängigkeitserkrankungen sowie der missbräuchliche Konsum psychotroper Substanzen gehören zu den häufigsten psychischen Störungen, die keineswegs nur bei gesellschaftlichen Randgruppen auftreten. Auch von stoffungebundenen Tätigkeiten können Menschen abhängig werden, dazu zählen zum Beispiel Internetnutzungsstörungen oder das Glücksspiel. Abhängigkeitserkrankungen sind jedoch immer noch mit einem Stigma besetzt und gehen mit starken Schamgefühlen einher, deshalb suchen Betroffene oft erst sehr spät Hilfe. Für Angehörige der akademischen Heilberufe kann beim Vorliegen einer Suchtproblematik zudem die berufliche Eignung als Approbationsvoraussetzung in Frage stehen bis hin zur möglichen Folge eines Approbationsentzugs.

Die Kammer möchte suchtkranke Mitglieder dabei unterstützen, eine Behandlung in Anspruch zu nehmen und ggf. drohende approbationsrechtliche Maßnahmen durch eine erfolgreiche Behandlung abwenden zu können. Gleichzeitig müssen etwaige Risiken für Patient*innen, die sich aus der weiteren Berufsausübung suchtkranker Psychotherapeut*innen ergeben können, vermieden werden.
Die Berufsordnung der PTK Bayern beschreibt insbesondere in § 1 Abs. 1 als Aufgaben der Psychotherapeut*innen das Vorbeugen und Heilen von Krankheiten, das Fördern und Erhalten der Gesundheit sowie das Lindern von Leiden. Die Erfüllung dieser Pflichten gegenüber den Patient*innen setzt neben der fachlichen Kompetenz auch die gesundheitliche Geeignetheit voraus, die aber im Falle eines schädlichen Konsums von Suchtmitteln oder einer Suchterkrankung beeinträchtigt sein kann. Dann drohen auch approbationsrechtliche Maßnahmen, wie etwa das Anordnen des Ruhens der Approbation, wenn festgestellt wird, dass die gesundheitliche Eignung zur Berufsausübung voraussichtlich nur vorübergehend wegfällt, vgl. § 5 Abs. 3 Nr. 2 PsychThG. In letzter Konsequenz kommt nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 PsychThG auch der Widerruf der Approbation in Betracht, sofern die zuständige Approbationsbehörde feststellt, dass die gesundheitliche Eignung dauerhaft weggefallen ist.
In Anlehnung an das Suchtinterventionsprogramm der Bayerischen Landesärztekammer hat die PTK Bayern nun das „Interventionsprogramm für suchtkranke Mitglieder (SIP)“ erstellt und mit den beiden bayerischen Approbationsbehörden - den Regierungen von Oberbayern und Unterfranken - abgestimmt. 
Betroffene Mitglieder haben damit ab sofort die Möglichkeit, sich bzgl. einer Teilnahme an dem Programm an die Kammer zu wenden – ggf. auch zunächst anonym. 

Die Kammer möchte deshalb die wesentlichen Grundzüge des SIP vorstellen: 
Erhält die Kammer einen Hinweis auf einen missbräuchlichen Suchtmittelkonsum oder mögliche Abhängigkeitserkrankung eines Mitglieds, z.B. eine Selbstanzeige oder Meldung durch Patient*innen oder Kolleg*innen, ist zunächst ein Gespräch mit dem Mitglied vorgesehen, um zu klären, ob eine Abhängigkeitserkrankung vorliegt und welche Auswirkungen auf die psychotherapeutische Tätigkeit bestehen bzw. anzunehmen sind. Bei diesem Gespräch wird dann auch über das SIP als grundsätzliche Möglichkeit informiert. Ist der Verdacht ggf. nicht zweifelsfrei zu klären, wird das Mitglied gebeten, eine entsprechende fachpsychotherapeutische oder fachärztliche Untersuchung zu veranlassen und der Kammer das Ergebnis zu übermitteln. 

Wurde ein missbräuchlicher Substanzkonsum oder eine Suchterkrankung festgestellt und erklärt sich das betroffene Mitglied zur Teilnahme am SIP bereit, muss er*sie vor Beginn der Teilnahme an dem Programm ein fachpsychotherapeutisches oder fachärztliches Gutachten in Auftrag geben. Dieses Gutachten muss eine Aussage darüber enthalten, dass er*sie aufgrund der Suchterkrankung nicht ungeeignet zur Berufsausübung ist und keine Gefährdung von Patient*innen bei der vorliegenden Abhängigkeitserkrankung zu vermuten ist. Dies ist Voraussetzung für die Durchführung des Programms. Im Gegenzug verzichtet die zuständige Approbationsbehörde bei ordnungsgemäßer Durchführung des SIP und der Feststellung, dass der*die suchtkranke Psychotherapeut*in nicht ungeeignet zur Berufsausübung ist, auf approbationsrechtliche Maßnahmen.

Je nach Schweregrad des Suchtmittelkonsums bzw. der Abhängigkeitserkrankung wird eine ambulante, teilstationäre oder stationäre Entwöhnungsbehandlung einschließlich der erforderlichen Entzugsbehandlung vereinbart. Dem Mitglied soll die Fortführung der Berufsausübung im Rahmen des SIP grundsätzlich möglich sein, maßgeblich sind aber stets die konkreten Umstände des Einzelfalls. 

Die konkrete Umsetzung des SIP erfolgt durch die PTK Bayern im Rahmen der Berufsaufsicht. Dabei wird das SIP durch ein Vorstandsmitglied betreut und fachlich durch ein Kammermitglied mit Expertise auf dem Gebiet der Abhängigkeitserkrankungen begleitet (Suchtbeauftragte*r). Behandelnde Ärzt*innen und Therapeut*innen sind gegenüber der PTK Bayern von der Schweigepflicht zu entbinden. Das SIP ist für die Dauer von mindestens einem Jahr vorgesehen, Verlängerung und Anpassung der Vorgaben sind aber je nach den Umständen des Einzelfalls möglich. Zur Überwachung der Abstinenz werden in unregelmäßigen Abständen unangekündigte Kontrollen durchgeführt. 

Mit der zuständigen Approbationsbehörde ist ein enger und regelmäßiger Austausch über die Ausgestaltung und den aktuellen Stand des individuellen SIP vereinbart. Bei Verstößen gegen das SIP oder Zweifeln an der gesundheitlichen Eignung ist zur Gewährleistung des Patient*innenschutzes eine Meldung an die Approbationsbehörde vorgesehen. Erleidet das suchtkranke Mitglied einen Rückfall, ist eine sorgfältige Einzelfallprüfung bzgl. des Erfordernisses der Meldung an die Approbationsbehörde und der Möglichkeit zur Fortführung des SIP vorzunehmen. 

Die Kosten des SIP werden vom Mitglied getragen, insbesondere im Hinblick auf erforderliche Nachweise der Suchtmittelfreiheit und Gutachten. Die Kosten für den*die Suchtbeauftragte*n werden durch die Kammer getragen.

 


Mitglieder, die sich über das SIP informieren oder das Angebot des SIP annehmen wollen, haben die Möglichkeit, sich hierzu - ggf. zunächst anonym - bei dem Bereich Berufsaufsicht der PTK Bayern telefonisch unter folgender Rufnummer beraten zu lassen:
089/ 51 55 55 - 276

 

 

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