Psychotherapeutenkammer Bayern

13. Suchtforum „Familie und Sucht“: Über 400 Teilnehmer/innen in München

„Familie und Sucht – Schicksal Familie oder Familien-Schicksal?“ Unter diesem Titel fand am 2. April 2014 das 13. Suchtforum im Kardinal Wendel Haus in München statt. Die Kooperationspartner des Suchtforums – PTK Bayern, Bayerische Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen BAS e.V., Bayerische Landesärztekammer (BLÄK) sowie Bayerische Landesapothekerkammer (BLAK) – setzten für alle Akteure im Gesundheitswesen das Signal, den Systemcharakter der Einbettung süchtiger Störungen in der Familie zu erkennen und ihre Beratungen und Interventionen dementsprechend auszurichten. Das 13. Suchtforum richtete sich an Psychologische Psychotherapeut/innen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut/innen, Ärztinnen und Ärzte, Apotheker/innen, Lehrer/innen, Erzieher/innen sowie Mitarbeiter/innen von Suchthilfeeinrichtungen, pharmazeutischen Unternehmen und Erziehungsberatungsstellen.

Sucht ist eine Krankheit, von der alle Familienmitglieder mit betroffen sind und in einen Teufelskreis gezogen werden. Egal, ob der Süchtige ein Elternteil, der Partner, ein Kind, der Bruder oder die Schwester ist. Es ist auch unerheblich, um welche Sucht es sich handelt, die Auswirkungen auf die Familie sind sehr ähnlich. In einer Familie, in der ein Mitglied über Jahre trinkt, Drogen konsumiert, glücksspiel- oder medikamentensüchtig ist, steht jedes Familienmitglied unter schwerer psychischer Belastung. Sucht macht für die Angehörigen das Leben unberechenbar, die Beziehungen untereinander sind oft hochgradig gestört.

In den Fachvorträgen wurden Arznei- und Suchtmittel in der Schwangerschaft kritisch bewertet sowie Traumata, Risiken und Resilienzen von Kindern in suchtbelasteten Familien erörtert. Ein weiterer Schwerpunkt waren die Erscheinungsformen und Behandlungsmöglichkeiten von Suchterkrankungen bei Kindern und Jugendlichen. Vorgestellt wurde auch das Konzept der multidimensionalen Familientherapie und wie diese in Einrichtungen der Jugend- und Suchthilfe eingesetzt wird und umgesetzt werden könnte.

Im Vorfeld des Suchtforums fand im Kardinal Wendel Haus eine Pressekonferenz statt, an der die Bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml den Journalist/innen Kampagnen und Aktionen der Bayerischen Staatsregierung bzw. des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vorstellte, mit deren Hilfe auf die Gefahren von Suchterkrankungen für werdende oder bestehende Familien hingewiesen und den Betroffenen gezeigt wird, wo sie Beratung und Hilfsangebote erhalten können. Die Ansprechpartner/innen der Kooperationspartner – Priv.-Doz. Dr. Heiner Vogel, Vorstandsmitglied der PTK Bayern, Prof. Dr. Dr. Dr. Felix Tretter, Vorstand der BAS, Dr. Heidemarie Lux, Vizepräsidentin der BLÄK, sowie Thomas Benkert, Präsident der BLAK, – warnten davor, bei einer Suchterkrankung nur die Betroffenen für sich alleine zu betrachten. „Suchthilfe, Psychotherapie, Primärmedizin und Jugendhilfe müssen besser miteinander vernetzt werden“, so die gemeinsame Erklärung. Melanie Huml schloss sich dieser Erklärung an: 'Ich will an dieser Stelle bekräftigen: Die Suchterkrankung eines Familienmitglieds hat gravierende Auswirkungen auf die gesamte Familie. Daher ist es höchst sinnvoll, die Familie miteinzubeziehen, wenn es um Beratung und Therapie geht.“ Weiter hob Melanie Huml hob hervor, dass die Bayerische Staatsregierung insgesamt rund sieben Millionen Euro jährlich für Suchtvorbeugung und Suchthilfe zur Verfügung stelle. Aber auch der Bund sei hier gefordert. In der Diskussion um das geplante Präventionsgesetz müssten gerade auch Kinder und Angehörige aus Suchtfamilien mit in den Blick genommen werden.

Melanie Huml, bayerische Staatsministerin für Gesundheit und Pflege (vorne links) mit den Kooperationspartnern des 13. Suchtforums (v. l.): Prof. Dr. Dr. Dr. Felix Tretter, Priv.-Doz. Dr. Heiner Vogel, Dr. Heidemarie Lux und Thomas Benkert. (Foto: Siegfried Sperl)

Priv.-Doz. Dr. Heiner Vogel, Vorstandsmitglied der PTK Bayern, ordnete vor dem Hintergrund der anhaltend hohen Zahlen an Suchtkranken in Deutschland und Bayern dem flächendeckenden Ausbau von niedrigschwelligen, suchttherapeutischen bzw. psychotherapeutischen Behandlungsangeboten weiterhin hohe Priorität zu. Noch wichtiger sei Prävention. Familien benötigten eine interdisziplinäre Unterstützung wie beispielsweise eine ambulante oder stationäre Psychotherapie oder Familienhilfe, um mit dem chronischen Stressor der Suchterkrankung umgehen zu können. Dabei könnten systemische, paar- und familientherapeutische Ansätze unter Einbezug des betroffenen Suchtpatienten Rückfälle und Belastungen reduzieren. „Die meisten Behandlungsprogramme im Suchtbereich sind noch individualistisch ausgeprägt. Die Bedeutung familiärer und anderer Kontextbedingungen wird ausgeblendet“, kritisierte Vogel. „Dies liegt auch an Fragen der Kostenregelung, denn die Leistungsträger, also vor allem Krankenkassen und Rentenversicherungsträger finanzieren die Behandlung von einzelnen Betroffenen. Dass dazu die Einbeziehung des engeren sozialen Umfeldes und der Familie gehört, liegt den Trägern oft fern.“

Vorstandsmitglied Priv.-Doz. Dr. Heiner Vogel auf der Pressekonferenz im Kardinal Wendel Haus. (Foto: Siegfried Sperl)

Die Presseinformation, die Statements der Expert/innen der Pressekonferenz sowie die Präsentationen der Fachvorträge der Referent/innen können Sie als pdf-Dateien in der unteren Liste herunterladen.

Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml betonte in ihrem Grußwort: „Gefahren wie der Alkoholabhängigkeit muss entschieden mit Prävention begegnet werden. Auch gegen den Konsum von illegalen Drogen muss konsequent vorgegangen werden.' Huml warnte auch vor den Gefahren durch Alkohol in der Schwangerschaft. Die Ministerin sagte: 'Die Gesundheit eines Babys beginnt bereits im Bauch der Mutter.' Das Bayerische Gesundheitsministerium hat dazu Ende 2012 die Kampagne 'Schwanger? Null Promille!' ins Leben gerufen.

Die Themen der Fachvorträge im Überblick:

  • Arzneimittel und Suchtmittel in der Schwangerschaft – eine kritische Bewertung
    (Prof. Dr. Kristina Leuner, Erlangen)
  • Kinder in suchtbelasteten Familien – Traumata, Risiken, Resilienzen
    (Prof. Dr. rer. nat. Michael Klein, Köln)
  • Suchtstörungen bei Kindern und Jugendlichen – Erscheinungsformen, Auswirkungen, Interventionen
    (Prof. Dr. med. Rainer Thomasius, Hamburg)
  • Multidimensionale Familientherapie – Von der Forschung zum Praxistransfer der multidimensionalen Familientherapie (MDFT) in Einrichtungen der Jugend- und Suchthilfe in Deutschland
    (Dipl.-Psych. Andreas Gantner, Berlin)
Großes Interesse der Teilnehmer/innen des 13. Suchtforums im Vortragssaal des Kardinal Wendel Hauses in München. (Foto: Siegfried Sperl)

Das 13. Suchtforum wird mit den gleichen Inhalten am 05.12.2014 in Nürnberg wiederholt.

 

 

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